Abbildung: Musikprojekt mit Schülerinnen und Schülern
Studierende arbeiten mit Schüler:innen  
Foto:  Oliver Borchert

Gemeinsame Pressemitteilung zum Änderungsentwurf der Verordnung über die Stundentafeln an den allgemeinbildenden Schulen (Stundentafelordnung – StdTaVO M-V) vom 29.04.2024

Mit großer Sorge um die musikalische Zukunft unseres Bundeslandes nehmen wir den Entwurf zur Reform der Stundentafel in Mecklenburg-Vorpommern zur Kenntnis und fordern die entsprechenden Stellen zur Überarbeitung in Hinblick auf zwei zentrale Punkte auf:

  1. Der allgemeinbildende Unterricht im Fach Musik muss alleinstehend mit einem festen Stundenkontingent in allen Schulstufen in der Stundentafel verankert werden.
  2. Die Arbeit in den musikalischen Ensembles in den Schulen benötigt ebenfalls einen gesicherten Rahmen, entweder durch die deutliche Erhöhung der Stunden im allgemeinbildenden Musikunterricht auf mindestens zwei Stunden pro Jahrgangsstufe zur flexiblen Verwendung oder durch ein festes Kontingent innerhalb der flexiblen Stunden, sodass allen Schüler:innen in unserem Bundesland der Zugang zu musikalischer Bildung gewährt wird.

Begründung mit Blick auf den allgemeinbildenden Musikunterricht und das musikalische Leben an Schulen

Der Verbund der ästhetischen Fächer Musik, Theater und Kunst stellt einen strukturellen Fehler dar, der im vorliegenden Entwurf fortgesetzt wird. Drei Schulfächer teilen sich ein insgesamt unzureichendes Stundenkontingent, in dessen Folge die jeweiligen KMK-Standards in keinem der Fächer durch die Schüler:innen erreicht werden können. Neben der dadurch entstehenden systemischen Konkurrenzsituation in fachlich gut besetzten Kollegien erschüttert vor allem der Hinweis darauf, wie bei Personalknappheit zu reagieren sei: Wenn im Kollegium nur zwei der drei Fächer angeboten werden können, sei dies legitim. Die Einwahl in die Fächer Kunst und Theater in Klassenstufe 7 hätte bspw. zur Folge, dass für die entsprechenden Schüler:innen gar kein Musikunterricht möglich wäre und die Teilhabe an musikalischer Bildung in der Sekundarstufe gänzlich verwehrt würde. Eine solch exkludierende Praxis in einer Stundentafel zu verankern unterschreitet sämtliche Mindeststandards und darf keinesfalls festgeschrieben werden.

Während die variable Ausgestaltung weiterer Unterrichtsangebote in den flexiblen Stunden zumindest einen Rahmen für die Arbeit mit musikalischen Ensembles vorgibt, um die ehemaligen Wahlpflichtangebote wie Bands, Chöre und Orchester weiterzuführen, scheinen die weiteren möglichen Gegenstände flexibler Stunden doch so umfassend, dass der Zugang zu musikalischer Praxis für viele Schüler:innen unrealistisch wird. Die zweite Fremdsprache im Regionalschulbereich, individuelle Förderung, Differenzierung, offene Lernzeiten und die Berufsorientierung sind im Schulalltag raumgreifend, sodass den Schüler:innen die Entscheidung zwischen Lern- und Übungszeit in den Kernfächern und kreativer Selbstentfaltung in musikalischen Ensembles aufgebürdet wird.

Insgesamt schwächt die neue Stundentafel das Fach Musik und das musikalische Leben an den Schulen in M-V nachhaltig: musikalische Bildung in der Breite und Tiefe wird Schüler:innen erschwert bis verwehrt, die Zukunft musikalischer Ensembles in den Schulen ist ungewiss.

Begründung mit Blick auf die Musiklehrkräftebildung an der Hochschule für Musik und Theater Rostock

In dem Augenblick, in dem sich die fachlichen Arbeitsbedingungen der Musiklehrkräfte an Schulen in Mecklenburg-Vorpommern in dem beschriebenen Maße verschlechtern, hat das gezwungenermaßen auch Rückwirkungen auf das Studien- und Ausbildungssystem: Die Hochschule für Musik und Theater Rostock als Studienort für die künstlerische Lehrkräftebildung verliert im bundesweiten Vergleich mit den anderen deutschen Musikhochschulen deutlich an Attraktivität, wenn im Anschluss an das Musiklehramtsstudium im Referendariat und später im Berufsalltag nur noch sehr eingeschränkte Möglichkeiten bestehen, das Fach Musik kompetent zu unterrichten und die Begeisterung für Musik an die nächsten Generationen weiterzugeben.

In den Hochschulzielvereinbarungen seit 2016 hat das Bundesland mit Nachdruck darauf hingewirkt, dass die Hochschule für Musik und Theater deutlich mehr Studierende ausbildet, um dem Lehrkräftemangel im Fach Musik wirksam zu begegnen. Mit neuen Studienprogrammen wie dem Basismodul Musikunterricht, dem Beifach Musik oder seit Kurzem auch mit einem Quereinstiegsmasterstudium setzt die hmt Rostock diesen politischen Willen erfolgreich um. Die hmt Rostock engagiert sich nach Kräften dafür, dass
nicht nur mehr, sondern vor allem gut ausgebildete Musiklehrkräfte für unser Land zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund möchten wir unsere Bedenken gegenüber den aktuellen schulpolitischen Entwicklungen zum Ausdruck bringen, weil diese den hochschulpolitischen Reformmaßnahmen und Anstrengungen deutlich zuwider laufen.

Begründung mit Blick auf musikalisches Leben in M-V

Eine Verschlechterung der Situation des allgemeinbildenden Musikunterrichts wird sich unmittelbar auf die musikalische Landschaft M-Vs auswirken. Bereits jetzt mangelt es in vielen Laienensembles in M-V an Nachwuchs. Ohne die musikalischen Vorerfahrungen an den Schulen unseres Landes und einen verständigen Umgang mit musikalischen Angeboten fehlt hier perspektivisch der Nachwuchs. Dies betrifft nicht nur die aktive Gestaltung eines glücklichen Lebens mit Musik der Bürger:innen in M-V, sondern auch die Besucherzahlen der vielfältigen Spielstätten im Land. Wer sich ein buntes und offenes M-V wünscht, muss Raum für einen qualitativ hochwertigen und quantitativ genügenden Musikunterricht garantieren: In keinem anderen Fach sind Selbst- und Fremderfahrungen möglich, die innerhalb der Lernbiografie zu einem wertschätzenden Umgang mit kultureller Diversität führen können. Gerade in Hinblick auf die momentanen politischen Entwicklungen scheint dieser Aspekt von höchster Priorität.

Begründung mit Blick auf die Arbeit der Musikschulen und die musikalische Bildung insgesamt

Eine weitere Schwächung des Faches Musik kann aus Sicht des Landesverbandes der Musikschulen in Mecklenburg-Vorpommern nicht akzeptiert werden.

Jungen Menschen die Chance auf das persönlichkeitsbildende, sozialisierende und stark motivierende Medium Musik und auf eigenes Musizieren zu verwehren, führt zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft. Mindestens nimmt es jedoch Chancen auf musikalische Bildung und das Recht auf kulturelle Teilhabe.

Musikalische Fähigkeiten, Traditionen und Kernkompetenzen drohen dadurch langfristig verloren zu gehen.

Die wachsende Nachfrage aus allgemeinbildenden Schulen nach Kooperationen mit Musikschulen zeigt den Bedarf und das Interesse an musikalischen Angeboten. Es ist aber nicht Aufgabe der Musikschulen und übersteigt deren Möglichkeiten, den Musikunterricht zu ersetzen. Eine Kompensation durch Lehrkräfte der öffentlichen Musikschulen wird nicht möglich sein.