1918 kommt in Chicago das erste Schlagzeug auf den Markt und löst eine musikalische Revolution aus: Es erobert die urbane Tanzmusik und etabliert die Triade Bassdrum, Snare und Hi-Hat als global gültige Einheit.
Der Geschichte des Schlagzeugs auf der Spur, sucht das Festival 100 Jahre Beat vom 26. – 29.4.2018 nach den Ursprüngen des Beats: Es holt stilprägende Musiker_innen auf die Bühne, erforscht die Zusammenhänge zwischen gespielten und programmierten Beats, präsentiert (Back-)Beats aus Brasilien, Japan, Ghana und dem Kongo sowie oft überhörte Beat-Praxen aus der indischen Musik.

100 Jahre Beat ist eine Hommage an die Geschichte des Schlagzeugs und ihre Protagonist_innen: Jazz-Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington zeigt ihr meisterliches Können, Produzentin Jlin spielt ihre vom Footwork inspirierten Hyperrhythmen und Tony Allen zollt der Jazz-Legende Art Blakey Tribut. Tabla-Virtuose Talvin Singh kollaboriert mit den britischen Underground-Größen Budgie (Siouxsie and the Banshees)  und Seb Rochford (Polar Bear), die Supergroup Ghana Panorama um Flowking Stone und Guy One, zusammengestellt von Max Weissenfeldt, spielt Rapping Drums und High-Life-Klassiker. Mit seiner interaktiven Trommelinstallation zeigt "Einstürzende Neubauten“-Schlagwerker N. U. Unruh ausschließlich am Donnerstag, 26.4. ab 19h die Bandbreite der Jahrhundert-Erfindung.

Der langjährige Kraftwerk-Perkussionist Karl Bartos liest aus seiner Autobiografie Der Klang der Maschine und der Film 808 huldigt dem ikonischen Drumcomputer Roland TR-808. Ausgehend von dem berüchtigten Zitat der Jazz-Legende Art Blakey: "It doesn’t have a damn thing to do with Africa.“ diskutieren am Sonntag u.a. Louis Chude-Sokei, Martin Munro und Cheryl Keyes. Freddi Williams Evans lässt die African Culture am Congo Square in New Orleans auferstehen: Der Ort, an dem im 18. und 19. Jahrhundert versklavte und freigelassene Afrikaner_innen den Grundstein der afroamerikanischen Musikkultur legten. Jens Gerrit Papenburg gibt zusammen mit Nate Harrison u.a. einen Einblick in die Welt des "Amen Break“ und erklärt, wie vier Takte Schlagzeug-Break den Hiphop prägten und mit Drum’n’Bass und Breakbeat ganze Genres begründeten.

Hatte die Perkussion in der europäischen Musik lange nur ornamentale Funktion, wird mit der Erfindung des Schlagzeugs der getrommelte Backbeat zum Pulsgeber. Anders erzählt: Über Beatpraktiken der afrikanischen Diaspora in Nordamerika und der Karibik wird die europäisch geprägte Musik neu begründet.  William F. Ludwig, Sohn eines deutschen Einwanderers in den USA und selbst "Double Drummer“, hatte die zündende Idee: Er setzte die Pauke auf den Boden und montierte ein selbst kreiertes Fußpedal daran. Mit der "Contraption“ konnte eine Person alleine Pauke, Trommel und Becken spielen – das Schlagzeug war geboren.

Als im 18. Jahrhundert – u. a. aus Angst, versklavte Afrikaner_innen und Afroamerikaner_innen könnten sich zu Aufständen verabreden – Trommeln in Nordamerika sogar verboten wurden, verschwand jedoch nicht das Trommeln.  Statt auf Instrumenten wird nun auf Fässern oder mit Löffeln getrommelt und der "Pattin’ Juba“ (auch "Hambone“ genannt) entsteht. Der Tanz, der den Körper als Trommel nutzt, führt erstmals die Rollenverteilung der unterschiedlichen Frequenzen ein, die später auf Bassdrum, Snare und Hi-Hat übertragen wird.

Detlef Diederichsen, Leiter des HKW-Bereichs Musik und Performing Arts, untersucht mit seinem Festivalprogramm im Rahmen des HKW-Langzeitprojekts 100 Jahre Gegenwart die Betriebssysteme der Musik und der Musikwirtschaft der vergangenen 100 Jahre und folgt Leitmotiven der Popgeschichte aus unerwarteten Perspektiven. 2016 konzipierte er  Krieg singen (mit Holger Schulze) und Pop 16. 2017 folgten Free! Music (mit Björn Gottstein) und No! Music (mit Martin Hossbach).

Konzerte und DJ-Sets
Tony Allen, Terri Lyne Carrington, Ghana Panorama,  Goat , Jlin, Asia Madani, Theo Parrish, Talvin Singh/Seb Rochford/Budgie, Marcos Suzano Trio, Les Tambours de Brazza, Canalón de Timbiquí, N.U. Unruh, DJ Zhao.

Panels, Talks, Installationen
Stefanie Alisch, Angie Balata, Karl Bartos, Louis Chude-Sokei, Anke Eckardt, Cheryl Keyes, Chris Johnson, Christine Lang, Hanno Leichtmann, André Luth, Georg Milz, Martin Munro, Freddi Williams Evans, Nate Harrison, He Zhao, Jens Gerrit Papenburg, Holger Schulze,  Flowking Stone, Christina Wheeler.

100 Jahre Beat findet im Rahmen von 100 Jahre Gegenwart statt. 100 Jahre Gegenwart wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Das Haus der Kulturen der Welt wird durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie durch das Auswärtige Amt gefördert.

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