Wie gründe ich einen Chor oder ein Ensemble unter Kontaktbeschränkungen? Das Förderprogramm zur Stärkung von Musik in ländlichen Räumen musste seine Projektarbeit durch Corona völlig neu ausrichten. Zur Halbzeit zeigen sich die enormen Herausforderungen, aber auch ideenreiche Ansätze gemeinsamen Musizierens.

Am 1. März 2020 startete mit "MusikVorOrt“ ein neues bundeweites Förderprogramm zur Stärkung von Musik in ländlichen Räumen. Ziel war, neue kulturelle Angebote dort zu schaffen, wo sonst wenig passiert: Neugründungen von Chören oder Ensembles, Festivals, inklusive und interkulturelle Musikprojekte sowie offene Mitmach-Angebote. In 4 Wochen gingen knapp 1.000 Anträge mit einem Volumen von ca. 11 Mio. EUR ein. Trotz der überwältigenden Nachfrage konnten nur 37 Projekte mit einem Volumen von ca. 650 TEUR bewilligt werden. Wenige Wochen nach Projektbeginn bedeutete die Covid-19-Pandemie einen nachhaltigen Einschnitt in die Pläne der geförderten Projekte. Ganz aktuell ist die Probenarbeit größtenteils verboten. Was ist aus den vielen engagierten Ideen geworden?

Zur Halbzeit des Projekts zeigt sich ein halbes Jahr später, auf welche Weise die meisten Projekte vielfältige Möglichkeiten gefunden haben, ihre musikalischen Vorhaben dennoch umzusetzen: Einige Projekte wurden umstrukturiert oder in kleinere Gruppen aufgeteilt; digitale Formate und Online-Proben werden als wichtiger Ersatz oder Ergänzung zum realen Probenbetrieb genutzt. Viele Projekte probten den Sommer über intensiv im Freien.

Der Wunsch nach gemeinsamen Musizieren ist ungebrochen. Zahlreiche Rückmeldungen belegen, wie dankbar die beteiligten Menschen für den Austausch und die gemeinsamen Erlebnisse sind. Jaqueline Nickel, Teilnehmerin des geförderten Musikprojekts "ModautalerMusikMomente“ in Hessen, kommentiert im Sommer 2020: "Die Modautaler Musik Momente bedeuten für mich, dass ich jede Woche eine feste Verabredung mit meinen Nachbarn habe und wir gemeinsam Musik machen. Wo wir früher wochenlang nur ein paar schnelle Worte über den Zaun gewechselt haben, haben wir jetzt an einem Tag der Woche jede Menge Zeit zusammen. Zeit zum Reden, Lachen, Spielen, Essen, Trinken und Musizieren.“

Wie einschneidend die Corona-Krise den Bereich der Amateurmusik getroffen hat, zeigt sich ganz konkret in den Projekten von "MusikVorOrt“: Chorprojekte mit älteren oder beeinträchtigten Teilnehmer*innen hatten große Schwierigkeiten, auf Online-Formate zurückzugreifen; Begegnungen zwischen jungen und älteren Teilnehmer*innen wurden – etwa in Altenheimen – zunehmend erschwert. Die Erarbeitung von Hygienekonzepten erforderte zusätzliche Energie.

Aktuell sind alle Projekte bei "MusikVorOrt“ von den bundesweit geltenden Kontaktbeschränkungen und der drastischen Einschränkung gemeinsamen Musizierens betroffen. BMCO-Präsident Benjamin Strasser MdB versucht dennoch optimistisch nach vorne zu blicken. Musikalisches Engagement sei gerade in diesen schwierigen Zeiten so wichtig. Er betont:

"Die Bedingungen für musikalisches Engagement sind in Zeiten von Corona sehr herausfordernd. Umso schöner ist es, wie viele Musiker*innen und Projektleitende sich durch das Förderprogramm "MusikVorOrt“ dafür einsetzen, weiterhin gemeinsam Musik zu machen. Die letzten Monate haben gezeigt, wie sehr die Menschen das gemeinsame Musizieren vermissen – und wie gut es tut, die Proben mit entsprechenden Maßnahmen wieder aufnehmen zu können. Ganz aktuell ist es eine gesellschaftliche und politische Aufgabe, gemeinsam zu überlegen, wie wir die kontinuierliche musikalische Probenarbeit weiterhin ermöglichen können – auch unter veränderten Bedingungen.“

SingBus

Ein Sonderprojekt von "MusikVorOrt“ ist der der SingBus der Deutschen Chorjugend e.V. (DCJ). Im Rahmen ihrer Initiative "Kinderchorland – in jedem Ort ein Kinderchor“ soll der SingBus durch das gesamte Bundesgebiet touren, um die Kinderchorarbeit in ländlichen Räumen zu fördern. Aufgrund der aktuell sehr angespannten Lage um Covid19 wird der SingBus in den Wintermonaten pausieren müssen. Die Organisator*innen erarbeiten ein alternatives digitales Konzept für die Wintermonate und hoffen auf eine Fortsetzung der Tour im Frühjahr 2021.

Abschließende Auswertung im Sommer 2021

Im Rahmen einer Abschlusskonferenz sollen die Ergebnisse der geförderten Projekte im Sommer 2021 in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert werden. Ziel ist es, die Projekte auf ihre Gelingensbedingungen hin zu untersuchen, um auch die Übertragbarkeit auf andere Regionen zu gewährleisten. Zwischenberichte aus den Projekten sowie weitere Informationen werden im Newsletter des BMCO veröffentlicht.

Allgemeine Informationen zum Förderprogramm "MusikVorOrt“

Mit dem Förderprogramm "MusikVorOrt“ fördert der Bundesmusikverband Chor & Orchester e.V. (BMCO) insgesamt 37 musikalische Projekte in ländlichen Regionen: Neugründungen von Chören oder Ensembles, Festivals, inklusive und interkulturelle Musikprojekte sowie offene Mitmach-Angebote. Mit dem Programm sollen neu initiierte Projekte in Gemeinden bis 20.000 Einwohner*innen in Deutschland gefördert werden. Diese Modellprojekte werden mit insgesamt 630.000€ gefördert; pro einzelnem Projekt beträgt die Förderhöhe bis zu 25.000€. Der Bundesmusikverband konnte diese Mittel dank der Förderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zur Verfügung stellen. Startschuss für die Projekte war der 1. März 2020; der Förderzeitraum wurde bis zum 15. Juli 2021 verlängert. Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich die Parteien dazu bekannt, die ländlichen Räume zu stärken.

Weitere Informationen zum vielfältigen Engagement der Förderprojekte finden Sie auf der Website von "MusikVorOrt“ oder sozialen Medien wie Facebook.