Das Deutsche Literaturarchiv Marbach erhielt den künstlerischen Nachlass von Rio Reiser (mit bürgerlichem Namen: Ralph Möbius), gestiftet von dessen Brüdern Peter und Gert Möbius. Als Mitbegründer, Texter und Sänger der Band ›Ton Steine Scherben‹ prägte Rio Reiser die musikalische Sozialisation der deutschen Alternativbewegung, der Anarcho- und Hausbesetzerszene der 70er- und 80er-Jahre. Die Punk- und Rockmusik dieser und der nachfolgenden Generation bis zur Hamburger Schule wurde nachhaltig von Reiser beeinflusst, Liedtitel wie ›Macht kaputt, was euch kaputt macht‹ und ›Keine Macht für Niemand‹ sind sprichwörtlich geworden.

Der intermediale Nachlass von Rio Reiser dokumentiert literarische und literaturnahe Ausdrucksformen, deren genuiner Charakter das Performative ist. So umfasst der Bestand nicht nur Manuskripte, Briefe, Theaterstücke und Drehbücher, sondern auch ein digitales Archiv: VHS-, Hi8-, DV-Kassetten, DVDs und Youtube-Clips mit Konzertmitschnitten, Musikvideos und Filmen, an denen Reiser als Schauspieler oder Filmkomponist mitwirkte.

Als einer der ersten Rockmusiker sang Rio Reiser beinahe ausschließlich deutsche Texte. Sein Pseudonym wählte er 1978 nach dem Roman Anton Reiser des Goethe-Zeitgenossen Karl Philipp Moritz. Zusammen mit seinen Brüdern spielte Reiser jahrelang Theater (›Hoffmanns Comic Teater‹, ›Lehrlingstheaterkollektiv Rote Steine‹), auch später schrieb er immer wieder Songs für die Bühne, z.B. für das schwule Jugendtheater ›Brühwarm‹ und für Stücke von Peter Hacks. Rio Reiser führte Tagebuch und hinterließ eine große Menge von Liedtexten und Entwürfen.

Erhalten sind im Handschriftenbestand u.a. Unterlagen zur SFB-Produktion Der Doppelgänger (1985) aus der Sendereihe ›Denkste?!‹, in der Rio Reiser sich selbst spielte, das Libretto mit handschriftlichen Einträgen und Liedtexten zum Musical Die Braut der Brüder (Musik: Rio Reiser, Libretto: Peter Möbius), Songtexte und zahlreiche Notenausdrucke mit handschriftlichen Bemerkungen zu Soundeinstellungen, Klavierauszüge von Songs mit Verweisen auf vorliegende Kassettenaufnahmen, handschriftliche Noten, Songlists und anderes Aufführungsmaterial. Außerdem werden zwei seiner Musikinstrumente übernommen: ein Keyboard und eine Gitarre.