Konzertsäle sind meist exklusive Klangorte, die man nur mit Ticket zum Konzert betreten kann. Wir wollen, dass der Klangort Kulturpalast auch dann zum Hinhören einlädt, wenn man ihn noch gar nicht betreten hat.

Deshalb wird der Kulturpalast nun selbst zu einem klingenden Gebäude, das man hörend umrunden kann. Aus leise tönenden Lautsprechern auf den Balkonen sind Klänge – „Herztöne“ – aus Programmen der Dresdner Philharmonie zu hören. Jeder Lautsprecher bietet dabei eine anders zusammengestellte Klangcollage und lädt dazu ein, zu verweilen. Man kann sich aber auch immer weiter bewegen und sich so rund um den Kulturpalast ein individuelles Hörerlebnis erwandern.

Das Konzept der Installation hat Franz Martin Olbrisch entwickelt. Es geht von verschiedenen Aspekten des Orchesterklangs aus: Sakralmusik, Vokalmusik, Programmmusik, Absolute Musik usw. Er verarbeitet entsprechende Aufnahmen der Dresdner Philharmonie zu jeweils eigenen Klangkompositionen. Jedes Genre ist über jeweils einen der Lautsprecher zu hören. Oft meint der Hörer das Werk zu kennen, das vertraute Hören wird jedoch durch Verschiebungen, Mischungen, Überlagerungen irritiert; Ziel ist nicht zuletzt, dabei im Konzert oft überhörte Klangaspekte des Orchesters an die Höroberfläche zu bringen. Hintergrund ist auch die Überlegung, in welchem Raum sich Musik überhaupt ereignet. Wird die Außenhaut eines Gebäudes selbst zur Musikquelle, geraten akustischer und sozialer Raum in besonderer Weise in Berührung. Was entsteht, ist Interaktion: zwischen Passanten, Publikum, Musikern, Instrumenten, dem Orchester und natürlich dem Haus selbst.

Olbrisch selbst zum Projekt:

„Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Spitzenorchester und ein so außergewöhnlicher Konzertsaal eine Klanginstallation in Auftrag geben. Eine solche Installation überwiegend aus Materialien des klassisch-romantischen Repertoire zu erstellen, war für mich etwas sehr Besonderes.

Aber nicht nur das Klangmaterial, aus dem die Installation entstanden ist, hat etwas Besonderes an sich, sondern auch der Ort, an dem sie erklingt. Der Kulturpalast in Dresden steht praktisch in der Mitte der Stadt und damit an einem Ort, den nicht Musikinteressierte besuchen, sondern der auch en passant von Menschen erlebt wird, die vielleicht niemals zu Konzerten in dieses Gebäude gehen würden. Viele von ihnen kennen das verwendete Klangmaterial vielleicht gar nicht oder nur sehr bruchstückhaft. Solche Menschen neugierig zu machen auf unsere wunderbare Musiktradition, wäre für mich ein ganz besonderer Erfolg.“

Franz Martin Olbrisch (* 1952) studierte zwischen 1979 und 1985 Komposition an der Hochschule der Künste Berlin. Von 1988 bis 2008 war er Dozent für Komposition und Studiotechnik an der Universität der Künste Berlin und von 1999 bis 2008 für Komposition im Elektronischen Studio an der Technischen Universität Berlin. 2004 und 2006 war er Dozent bei den Internationalen Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. Von 2008 bis 2020 war er Professor für Elektronische Musik an der Hochschule für Musik "Carl Maria von Weber" in Dresden.

Einer seiner künstlerischen Schwerpunkte sind Kompositionen, die an Orten wie z.B. der Neuen Nationalgalerie Berlin, der Wittener Zeche Nachtigall, der Gedenkstätte des Gefangenenlagers Schloss Colditz in Klanginstallationen eingehen. Die Räume von Franz Martin Olbrisch sind Wahrnehmungskabinette. Dichte, feinstofflich aufgeladene Gebilde, in die der Besucher spürbar eintaucht. Er wird selbst zu einem Teil dieses Gebildes, Teil eines geradezu haptisch erlebbaren Zusammenspiels von Klang, Bild und Bewegung, von Erinnerung und Assoziation, von Projektion und Reflexion.

Darüber hinaus schafft Olbrisch intermediale Arbeiten (Foto- und Videosequenzen im Zusammenhang mit Klangerlebnissen) und Kompositionen für verschiedenste Besetzungen (u.a. für Tuba und Zuspielband; Stimme und 16 Lautsprecher; Streichquartett; Flöte; Violoncello und Schlagzeug).

Die Installation wird am 7. Oktober 2021 eröffnet und ist drei Wochen täglich von 10.00 bis 19.30 Uhr zu erleben.

Passanten finden am Kulturpalast einen QR-Code, der sie zu Informationen zum Projekt führt.