Premiere in Deutschland: Erste Orchester dürfen dank COVID-19-Tests Abstände verringern und in nahezu voller Besetzungsstärke spielen. Den Anfang macht die Cappella Aquileia als deutschlandweit erstes Orchester mit herkömmlicher Sitzordnung in Heidenheim am Wochenende (26. Juli) – und in Konstanz wollen weltbekannte Sänger und Sängerinnen in einer Opern-Gala (1. August) an den hohen Stellenwert der Kunst erinnern.

Eigentlich ist es aktuell für Sinfonieorchester nicht möglich, einen Großteil des üblichen Repertoires zu spielen – die Besetzung ist oft zu groß, als dass sie in Zeiten von coronabedingten Abstandsregeln auf die Bühne passt. Doch die Cappella Aquileia darf nun als erstes deutsches Orchester ein Konzert mit verringertem Abstand zwischen den Musiker:innen geben. Zu verdanken ist das der Initiative des Künstlerischen Leiters des Orchesters Marcus Bosch, der eine Kooperation mit der Biotech-Firma CENTOGENE vermittelte. Die Musiker:innen und alle anderen Projektbeteiligten wurden bereits vor und während der Proben sowie der parallel laufenden CD-Aufnahme (Beethoven "Musiken für das Theater Vol. 3“) je zweimal getestet, alle mit negativem Ergebnis. Das mit dieser Maßnahme erheblich gesunkene Risiko hat das zuständige Gesundheitsamt überzeugt, das Aufnahme- und Konzertprojekt ohne die derzeit sonst geltenden Einschränkungen wie Distanzierung und Plexiglas-Abtrennungen zu genehmigen. 167 Zuschauer dürfen sich auf das Konzert am 26. Juli, 13 Uhr in Heidenheim unter dem Motto "Klangwolke“ freuen, das zugleich live vom SWR 4 übertragen und somit für weitere Hörer:innen zugänglich sein wird.

Auch die Südwestdeutsche Philharmonie zeigt sich glücklich, von der Zusammenarbeit zu profitieren und vor der Sommerpause noch einmal "großes Orchester“ bieten zu dürfen. Intiiert von den weltweit gefragten Sänger:innen Michael Volle und Gabriela Scherer soll in einer Opern-Gala die so schmerzhaft vermisste Kunst auf die Bühne zurückkommen: Am 1. August 2020, 20.00 Uhr werden unter dem Motto "Verachtet mir die Meister nicht“ (Zitat aus Wagners "Die Meistersinger von Nürnberg“) im Bodenseestadion Werke u. a. von Verdi, Wagner, Offenbach, Puccini und Mascagni geboten. Unter dem Dirigat von Marcus Bosch singen und spielen neben Gabriela Scherer (Sopran) und Michael Volle (Bariton) auch die italienischen Gaststars Barbara Frittoli (Sopran) und Massimo Giordano (Tenor) sowie der Geiger Niklas Liepe vor einem Publikum von 500 Zuschauer:innen. Das ist die maximale Publikumsgröße, die ab dem 1. August in Baden-Württemberg zugelassen ist. Somit ist das Orchester der erste Klangkörper des Bundeslandes, der sich wieder einem größeren Publikum präsentieren darf. Es moderiert Holger Wemhoff, Chefmoderator und stellvertretender Programmdirektor des Senders Klassik Radio. Für die Künstler:innen ist es auch eine Art "Zurückbringen der Kultur“ und ein Konzert gegen das Vergessen der frustrierenden Situation der freiberuflichen Musiker:innen und insbesondere der freiberuflichen Sänger:innen. Der Stellenwert der Kunst dürfe künftig nicht verloren gehen, was aber passieren könnte, wenn keine finanzielle Unterstützung der Kunst – die in der allgemeinen Hilfestellung durchs Raster zu fallen droht – erfolgt. Gleichzeitig soll das Konzert aber auch zeigen, dass es noch etwas anderes gibt als Krise. Erlebbar gemacht werden soll, wie anregend und ermutigend Kunst, Musik und Theater sind.

Dies ist ganz im Sinne von CENTOGENE-CEO Dr. Arndt Rolfs, denn für ihn sind "Kunst und Kultur ein wichtiger Stützpfeiler unserer Gesellschaft. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie ist das Wiederbeleben kultureller Ereignisse ein unabdingbares Muss, um auch hier zurück zu einer neuen Normalität zu gelangen. Das Vorliegen eines negativen Ergebnisses auf eine SARS-CoV-2-Infektion trägt viel dazu bei, dass die Musiker und Künstler in einer befreiteren Atmosphäre proben und auftreten können. Wir als Unternehmen bieten diese Art der Unterstützung gern an, um einen wesentlichen Beitrag für einen Neubeginn des kulturellen Lebens liefern zu können.“

Die Zusammenarbeit der in Rostock ansässigen Firma und Marcus Bosch beruht nicht zuletzt auf dessen Nähe zur Stadt im Norden und seiner Tätigkeit als Conductor in Residence (sowie designierter Chefdirigent ab 20/21) der Norddeutschen Philharmonie Rostock. "Es ist großartig, dass durch diese kostenlosen COVID-19-Tests die Konzerte und Aufnahmen in Heidenheim und Konstanz erst möglich werden. Nur so lässt sich eine entsprechende Besetzung realisieren.“

Die GMD Konferenz, deren Vorstandsvorsitzender Bosch ist, forderte bereits in mehreren Aufrufen an die Politik auf, sich stärker für die Kulturbranche einzusetzen, und zeigt sich hier auch als aktive Unterstützerin der Orchester. "Wir brauchen noch mehr derartig kulturhungrige Unternehmer wie Arndt Rolfs, die wieder einen ‚normalen‘ Kulturbetrieb möglich machen,“ so Bosch. Aber auch weitere Orchester werden von dem Angebot profitieren können, zeigt sich der Dirigent zuversichtlich: "Ich freue mich, dass ich durch den Kontakt zu Dr. Arndt Rolfs meinen Teil dazu beitragen konnte und wir mit der GMD Konferenz und CENTOGENE ein Pilotprojekt für rund 20 Orchester auflegen können mit wöchentlichen Testungen bis Weihnachten.“ Ob die Orchester die Abstände im Anschluss an die Tests verringern dürfen, entscheiden die jeweiligen örtlichen Behörden.

Beide Konzerte – sowohl in Heidenheim als auch in Konstanz – konnten darüber hinaus aber nur durch das besondere Engagement von Sponsoren und Förderern ermöglicht werden.