Zum 76. Mal jährt sich heute die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee. Seit dem Jahr 2005 wird dieser Tag als Internationaler Tag zum Gedenken an die Opfer des Holocaust begangen. Im letzten Jahr veranstaltete die Initiative kulturelle Integration eine Fachtagung zum Thema Erinnerungskultur, die sich mit der Frage befasste, wie wir in Zukunft an die Shoah erinnern wollen. Nun liegt der dazugehörige Sammelband vor, der neben der Tagungsdokumentation auch einen Ausblick in die Zukunft des Erinnerns bietet.

Zu den Autoren gehört unter anderem Prof. Dr. Aleida Assmann, die mit Blick auf die Zukunft der Erinnerungskultur fordert, dass man der Rede vom sogenannten "Schuld-Kult“ einen "selbstkritischen aufgeklärten Patriotismus“ entgegensetzen solle, der auch Einwanderinnen und Einwanderern sowie Schülerinnen und Schülern vermittelt werden könnte. Was sie darunter versteht und warum sie die Zeit nach den Zeitzeugen nicht nur als Gefahr, sondern auch als eine Chance sieht, darauf antwortet sie in ihrem Beitrag.

Die Erinnerungskultur der 1990er und Nullerjahre sei heute kein "Common Sense“ mehr, stellt Prof. Dr. Raphael Gross in seinem Statement fest. Dies liege nicht nur an der öffentlichen Debatte von Gruppen, die täglich diesen Konsens in Frage stellten, sondern auch an der immer bewusster werdenden multiethnischen deutschen Gesellschaft. Wie finden wir einen neuen Konsens in der Erinnerungskultur? Und warum ist die Angst vor dem Vergessen so an das Sterben der Opferzeugen geknüpft?

Prof. Dr. Doron Kiesel unterscheidet in seinem Artikel zwischen der öffentlichen Inszenierung von Erinnerung und dem subjektiven Erinnern als "unabdingbarer Voraussetzung von historischer Erkenntnis“. In den (nicht) vermittelten Erfahrungen sieht er die "Erinnerungsproblematik“ und konzediert, dass sich die Wahrnehmung der Enkel der "Tätergeneration“ im Hinblick auf die Shoah und den Nationalsozialismus geändert habe. Woran liegt das? Was ist zu tun?

"Nie wieder was?", fragt Prof. Dr. Natan Sznaider, an wen denken wir, wenn wir der Toten (die Auschwitz nicht überlebten) gedenken? Wie können wir die Welten der "Untergegangenen" und der "Geretteten" miteinander verbinden? Gibt es überhaupt eine nicht instrumentalisierte Erinnerung? Und er leitet über zu der Frage: Nie wieder für wen? Macht uns das gemeinsame Gedenken an den Holocaust wirklich zu besseren Menschen?

Der Sprecher der Initiative kulturelle Integration und Mitherausgeber Olaf Zimmermann sagt: "Kultur und Erinnerung hängen unmittelbar zusammen, denn was ist Kultur anderes als geronnene und verarbeitete Erinnerung. Welche Rolle kommt der Kunst und Kulturpolitik bei der Erinnerungsarbeit zu? Viele spannende Fragen und wegweisende Antworten werden in dem Sammelband diskutiert und verdeutlichen, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte nie abgeschlossen ist.“

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