Das öffentliche Symposium »Jüdische Musik im süddeutschen Raum: Geschichte, Exil, Fortleben«, das am 11. und 12. Juli 2019 am Hauptstandort der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) in der Arcisstraße 12 stattfindet, ist ein wichtiger Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur an der HMTM und im Münchner Musikleben. Das betonte Prof. Dr. Bernd Redmann, Präsident der Hochschule, bei der heutigen Vorstellung des detaillierten Konferenzprogramms. Die wissenschaftliche und organisatorische Verantwortung für die Konferenz tragen die Musikwissenschaftlerin Prof. Dr. Tina Frühauf von der Columbia University New York, die aktuell eine DAAD-Gastprofessur an der HMTM innehat, und Prof. Dr. Claus Bockmaier, Leiter des Musikwissenschaftlichen Instituts der Hochschule. Beide unterstrichen bei der Vorstellung des Programms die internationale Besetzung der Konferenz und die besondere Verbindung von Theorie und künstlerischer Praxis in der Kombination von Rede- und Musikbeiträgen. Gefördert wird das Symposium u.a. vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München.

Prof. Dr. Bernd Redmann: »Diese Konferenz und der Forschungsaufenthalt von Prof. Dr. Frühauf an unserer Hochschule sind wegweisende Impulse für ein neues Forschungszentrum an der Hochschule für Musik und Theater München zum Thema NS-verfolgte Musik in Süddeutschland.«

Das geplante »Ben-Haim-Forschungszentrum« soll im Studienjahr 2019/2020 seine Arbeit aufnehmen und sich besonders folgenden Schwerpunkten widmen:

  • Grundlagenforschung (inkl. Quellen- und Biografieforschung) zum Musikleben während der NS-Zeit mit Schwerpunkt auf verfolgte Musiker und Komponisten im süddeutschen Raum 
  • Entwicklung und Stärkung einer Aufführungs- und Editionspraxis von Musik NS-verfolgter Komponisten
  • Konzeption und Entwicklung von Education-Material für verschiedene Zielgruppen, insbesondere für allgemeinbildende Schulen und andere Bildungseinrichtungen.

Benannt wird das Zentrum nach dem Komponisten Paul Ben-Haim, der als Paul Frankenburger an der Münchner Musikhochschule studierte und 1933 in das damals britische Mandatsgebiet Palästina emigrierte. Vor diesem Hintergrund ist das Symposium »Jüdische Musik im süddeutschen Raum« ein wichtiger Auftakt für zukünftige Forschungen. Die Tagung verbindet dabei den Diskurs über Geschichte und Kultur jüdischer Musik in Süddeutschland bewusst mit dem Gebäude in der Arcisstraße 12, dem ehemaligen NSDAP-»Führerbau«, in dem seit 1957 die HMTM untergebracht ist.

Die 16 Vorträge werden in deutscher und englischer Sprache gehalten, allein fünf Beiträge konzentrieren sich dabei auf die Geschichte der Synagogal- und der Kunstmusik in München. Musikbeiträge von Studierenden der HMTM sowie ein Konzert mit Jascha Nemtsov (Klavier) und dem Synagogal Ensemble Berlin unter der Leitung von Regina Yantian runden das Programm ab. Die Koordination der musikalischen Beiträge übernimmt Hans-Christian Hauser, Lehrbeauftragter für Slawische und Jüdische Vokalmusik an der HMTM.

Die Referenten der Konferenz kommen aus Österreich, England, Deutschland, Israel und den Vereinigten Staaten, darunter etwa Mark L. Kligman, Jascha Nemtsov und Sarah M. Ross, die jeweils Lehrstühle für Jüdische Musik innehaben. Das Symposium möchte einen Beitrag zur weiteren wissenschaftlichen Erschließung des Themas in breiter historischer Dimension leisten. Dazu finden u.a. folgende Vorträge statt: Prof. Dr. Ruth Litai-Jacoby wird über Maier Kohn sprechen, der von 1825 bis zu seinem Tod im Jahr 1875 an der Münchner Hauptsynagoge tätig war. Daran knüpft Prof. Dr. Mark L. Kligmans Vortrag zum Thema Stilentwicklung von kantorialer und synagogaler Musik in München in den 1830er-Jahren an. Dr. Liran Gurkiewicz und Dr. Charlotte Vignau beleuchten das Oratorium »Joram« von Paul Frankenburger / Ben-Haim, das letzte Werk vor seiner Emigration. Untersuchungen zur frühen Korrespondenz Ben-Haims, insbesondere mit dem Altphilologen Otto Crusius, Professor an der Münchner Universität und Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, unternimmt Dr. Malcolm Miller. Dr. Gila Flam, Direktorin der Musikabteilung der Israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem, wird außerdem über Quellen ehemaliger Münchner Komponisten an ihrer Institution berichten.

Prof. Dr. Tina Frühauf ist Adjunct Assistant Professor für Musikwissenschaft an der Columbia University und am Graduate Center, CUNY, in New York und leitende Redakteurin bei Répertoire International de Littérature Musicale. Ihre Bücher »Orgel und Orgelmusik in deutsch-jüdischer Kultur«, »Salomon Sulzer: Reformer, Kantor, Kultfigur« und »Werner Sander: ›Den Frieden endgültig zu festigen‹ – Ein groβer Vertreter der jüdischen Musik in der DDR« sind in deutscher und englischer Sprache erschienen. »Dislocated Memories: Jews, Music, and German-Jewish Culture« wurde mit dem Ruth A. Solie Award 2015 und dem Jewish Studies and Music Award der American Musicological Society ausgezeichnet. Dr. Frühauf hat mehrere Noteneditionen zur jüdischen Musik herausgegeben. Ihr jüngstes Buch »Experiencing Jewish Music in America« erschien 2018 bei Rowman & Littlefield. Ein Sammelband mit dem Titel »Postmodernity's Musical Past: Historicity and Temporality after 1945« ist unter Vertrag mit Boydell Press. Eine Monographie über die Musik in den jüdischen Gemeinden Deutschlands nach 1945 ist in Bearbeitung. 

Die Konferenz wird gefördert vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Die DAAD-Gastprofessur von Dr. Frühauf wird gefördert vom DAAD aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).