Das Kuratorium beim Verband deutscher Musikschulen Hessen (VdM Hessen) hat im Landtag über aktuelle Fragen der musikpädagogischen Arbeit diskutiert. Renommierte Wissenschaftler sprachen in Wiesbaden über "Persönlichkeit und Musizierenlernen, Kulturelle Bildung und Digitalisierung“.

Wie beeinflussen Digitalisierung, Inklusion und barrierefreie Teilhabe an Kultureller Bildung die musikpädagogische Arbeit der öffentlichen Musikschulen? Mit dieser Frage beschäftigte sich eine Podiumsdiskussion des Kuratoriums beim Verband deutscher Musikschulen Hessen (VdM Hessen) am 22. Oktober 2019 im Hessischen Landtag.

Wichtiges Fazit angesichts der laufenden öffentlichen Debatte um Digitalisierung in der Bildung: Das analoge Musizieren auf etablierten Instrumenten und das virtuelle Musizieren mit digitalen Medien sollten keinesfalls gegeneinander ausgespielt werden. Denn beide Welten des Musizierens bieten eine spezifische Erlebnis- und Erfahrungsdimension. Deshalb sei die digitale Auseinandersetzung mit Musik als Erweiterung des Musikunterrichts zu verstehen, nicht als Konkurrenz zu diesem. Allerdings ist eine pädagogische Begleitung notwendig, damit Kinder und Jugendliche einen kritischen, selbstbestimmten Umgang mit den digitalen Möglichkeiten erlernen.

Die Teilnehmer der Diskussionsveranstaltung mit dem Titel "Persönlichkeit und Musizierenlernen, Kulturelle Bildung und Digitalisierung“ waren Professor Dr. Wolfgang Schneider (Direktor des Institutes für Kulturpolitik der Stiftung Universität Hildesheim), Professorin Dr. Maria Spychiger (Professorin für Empirische Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main) und Professor Udo Dahmen (Künstlerischer Direktor und Geschäftsführer des Fachbereichs Populäre Musik an der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim). Moderatorin des Abends war Dr. Gabriele König, Fachbereichsleiterin Kultur der Stadt Krefeld.

Als inhaltlicher Impulsgeber des Abends sprach Professor Schneider über die kulturpolitischen Grundlagen für das Musizieren als wesentlichem Ausdruck kultureller Bildung. Er leitete anschaulich das Recht auf Kunst und Kultur aus der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“, dem "UN-Übereinkommen über die Rechte der Kinder“ und der "UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ ab.

In der Konsequenz forderte Schneider daher die deutliche Stärkung der kulturellen Bildungsfächer wie beispielsweise Musik, Kunst und Theaterspiel im Bildungssystem. Diese müssen ähnlich den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften und Technik) als Set differenzierter Kultureller Bildungsfächer wahrgenommen werden. Denn sie böten einen unersetzlichen, persönlichkeitsbezogenen Gegenpol zu oft einseitig theoriebetonten MINT-Unterrichtsfächern.

Eröffnet hatten den Abend Karin Müller, Vizepräsidentin des Hessischen Landtages mit einem Grußwort und Professor Dr. Joachim-Felix Leonhard, Vorsitzender des Kuratoriums beim VdM Hessen mit einer thematischen Einleitung. Der ehemalige Staatssekretär des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst wurde vor wenigen Tagen in Berlin zum Ehrenmitglied des Deutschen Musikrates gewählt. Er stellte die Intension des Kuratoriums vor, das sich als Plattform für die Zusammenführung von Persönlichkeiten aus Kultur und Politik, Hochschulen, Medien und Wirtschaft versteht. Ziel dieser Aktivität ist es, die Arbeit des VdM Hessen in Bezug zu setzen zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen wie Integration, Inklusion und kultureller Vielfalt.

Einen Einblick in seine Unterrichtspraxis im digitalen Klassenzimmer und der damit verbundenen Arbeit mit Laptop und Tablet gab der Mannheimer Producer, Composer und Audio-Engineer Jonas Mengler. Er zeigte den Spannungsbogen zwischen der schlichten Digitalisierung von Musikinstrumenten und der Entwicklung digitaler Medien als eingeständiger bzw. neuartiger Musikinstrumente auf.

In seinem Schlusswort am Ende eines lebhaften und vielschichtigen Diskussionsabends zog Professor Dr. Leonhard ein kritisches Fazit, in dem er die schlechte finanzielle Situation der öffentlichen Musikschulen plastisch beschrieb. Seine Mahnung: Letztlich werde eine bildungspolitisch zielführende Digitalisierung in der musikalischen Bildung ohne den Erhalt und vor allem den Ausbau entsprechender kultureller Bildungseinrichtungen wie der öffentlichen Musikschulen nicht denkbar sein.

Die Podiumsdiskussion richtete sich an Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte der allgemeinbildenden Schulen und der öffentlichen Musikschulen sowie an politische Entscheidungsträger aller Ebenen aus dem ganzen Bundesland.