In den staatssozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas gab es ebenso wie in anderen Regionen der Welt ein reges Musikleben, das alle Formen der Musik von der Avantgarde bis hin zu den diversen Spielarten der Popularmusik umfasste. Im Gegensatz zu oft zu hörenden Ansichten waren bestimmte Formen der Musik, wie etwa Jazz, hier keineswegs verboten, wohl aber war für die Kulturpolitiker der Ostblockstaaten Musik in herrschaftspolitischer Hinsicht viel zu bedeutend, als dass sie die Entwicklungen auf diesem Gebiet dem Zufall überlassen wollten. Die Tagung "Musik und ihre gesellschaftliche Bedeutung in den staats- und postsozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas seit 1945", die vom 5. bis 7. Juni 2019 am Herder-Institut in Marburg stattfinden wird, fragt nach den gesellschaftlichen Auswirkungen musikalischer Dynamiken. Dabei soll es auch darum gehen, bekannte Beschreibungsmuster, wie etwa von Musik als Ausdruck eines Freiheitswillens, genauer zu definieren, mit entsprechenden Entwicklungen beispielsweise in Westeuropa oder in den USA zu parallelisieren, oder auch diese Beschreibungsmuster grundsätzlich in Frage zu stellen. Schließlich geht es um die Frage, ob und wie die staatssozialistischen Vergangenheiten die Bedeutung der Musik für gesellschaftliche Prozesse auch im Postsozialismus, d. h. seit 1989/91 bis heute, bestimmten.

Musik und ihre gesellschaftliche Bedeutung in den staats- und postsozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas seit 1945

Ort: Herder – Institut Marburg
Zeit: 5. – 7. 6. 2019
Inhaltliche Konzeption: Rüdiger Ritter
Die Teilnahme ist frei, Konferenzgebühren fallen nicht an.

Ablaufplan

Mittwoch, 5.6.

  • 14:00   Begrüßung, Einführung
  • 14:30   Rüdiger Ritter, Bremen: Wozu Musikgeschichte?

1. Musik im Stalinismus

  • 15:30   Ryszard Wieczorek, Poznań: Music-making in Polish Wrocław Just After the War
  • 16:00   Rafał Ciesielski, Zielona Góra: Jazz im Spiegel der polnischen Musikkritik (1945-1956)
  • 17:00   Arnolds Klotiņš, Rīga: Spannung zwischen Macht und Geist in der lettischen Musik in den stalinistischen Jahren nach dem Krieg
  • 17:30   Michal Ščepán, Bratislava: Paradoxes in the development of Slovak music during the period of totalitarianism and today

Donnerstag, 6.6.

2. Jahre des Aufbruchs

  • 9:00     Marianne Nowak, Mannheim: Die ‚verbotene Frucht’ als Freiheitssymbol? Die musikalische Westöffnung in Polen in den 1950er Jahren
  • 9:30     Jan Blüml, Olomouc: Czech Popular Music Culture of the 1960s: Meaning, Myth, Reality
  • 10:00   Lenka Křupková, Olomouc: Die ideologische Kritik an der "Neuen Musik“ der Nachkriegszeit in der Tschechoslowakei der 1950er bis 1970er Jahre

3. Ost-West-Beziehungen

  • 11:00   Luisa Antoni, Trieste: The question of Trieste, its hinterland and Istria in the light of American and (perhaps) Soviet influences
  • 11:30   Michael Esch, Leipzig: Ambivalenzen von Freiheit: Signifizierungen und Praktiken des Jazz im Kalten Krieg in globaler Perspektive / Ambivalences of Freedom: Significations and Practices of Jazz during the Cold War - global perspectives
  • 12:00   Baiba Jaunslaviete, Rīga: Latvian Press On Contemporary Western Art Music In The 1950s-1980s: Socio-Political Context And Its Impact On Reviews
  • 14:30   Sebastian Borchers, Darmstadt: Die "polnische Musikavantgarde“ der 1960er-Jahre und ihre Teilhabe am deutschen Musikleben - Zwischen beruflichem Eigensinn und staatlicher Kulturpolitik
  • 15:00   Corinna Wörner, Göttingen: Zwischen Kulturpflege und Kulturpropaganda – Thomaner- und Kreuzchor als Kulturbotschafter der DDR

4. Musik zwischen Opposition und Staat

  • 15:30   Martin Breternitz, Jena: Jazz in der DDR. Kulturtransfer, Aneignung und eigen-sinnige Jazz-Gemeinschaften in Thüringen 1963 – 1989
  • 16:30   Cornelia Bruhn, Jena: Die FDJ-Singebewegung (1965-1990) als Erfahrung von sozialistischem Alltag, politischen Auseinandersetzungen und gesellschaftlichen Visionen
  • 17:00   Christoph Schulze, Potsdam: Skinheadrock in der DDR

Freitag, 7.6.

  • 9:00     Melita Milin, Belgrad: The changing fate of creative freedom in state socialist Yugoslavia. The space of music in the context of social/political shifts
  • 9:30     Nemanja Sovtić, Novi Sad: Of Non-Aligned Culture In Socialist Yugoslavia – Neither (Nor) – Both (And) Relation Of Non-Alignment From Foreign Policy Orientation To Musical Aesthetic Criterion
  • 10:00   Clemens Günther, Berlin: Soundscape Karakum. Der spätsowjetische Klang der Wüste
  • 11:00   Yvetta Kajanová, Bratislava: Mass, Socialism-Building, and Pioneer Songs versus Gospel Music in Czechoslovakia

5. Musik im Postsozialismus

  • 11:30   Galina Tsmyg, Minsk: Chorkunst als Phänomen der belarussischen Kultur (1970-2010).
  • 12:00   Manuel Ghilarducci, Berlin: Belarussische Rockmusik als (kultur-)politischer Seismograph.
    Ljavon Vol’skis N.R.M.
  • 14:00   Peter Dobšinský, Bratislava: Changes in social significance of jazz to commercial meanings after 1989
  • 14:30   Olga Caspers, Berlin: ´Krieg und Frieden´ in der russischen Popmusik der Gegenwart (Die Musikszene als Projektionsfläche von politisch-gesellschaftlichen Auseinandersetzungen im Jahr 2018)
  • 15:00   David-Emil Wickström, Mannheim: A Million Voices – Post-Sowjetische Populäre Musik, die Russisch-Orthodoxe Kirche und der Staat