Applaus, Stillsitzen, konzentriertes Hören, Applaus – so laufen noch heute die meisten Konzerte ab. Doch wenn sich Gesellschaft und Öffentlichkeit verändern, muss sich dann nicht auch das klassische Konzert wandeln? Im Rahmen der Donaueschinger Musiktage werden deshalb dieses Jahr mehrfach neue Konzertformate auf die Probe gestellt.

Regisseur Laurent Chétouane lässt jedenfalls nicht zu, dass sich das Publikum wohlig im Stuhl der Donauhallen zurücklehnt. Die Besucher des von ihm inszenierten Konzerts mit dem Solistenensemble Kaleidoskop müssen sich auch in unbequeme Situationen begeben, die eher an Wartehallen erinnern. Aber auch die Musiker werden aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen. Gemeinsam mit dem Publikum sind sie im Übergang, im Transit. Chétouane spielt damit auf die vielen Unorte im modernen Leben an, sei es im Pendelverkehr, als Tourist oder gar auf der Flucht. "Musik“, erklärt er, "ist ortlose Kunst schlechthin.“

Ungewöhnlich und unbequem geht es auch bei Martin Schüttler zu. Der Kasseler Komponist isoliert die Musiker voneinander, die Bühne selbst ist leer. Stattdessen wird abseits des Konzertraums in einzelnen Containern gespielt, wo die Musiker allerdings auch ungewohnte Freiheiten genießen. Ein anderes Szenario: In Francesca Verunellis "Man Sitting at a Piano“ sitzt tatsächlich ein Mann am Klavier, aber dieser ist Flötist, das Klavier hingegen computergesteuert. So ironisiert Verunelli die Aufführungssituation auf originelle Weise.

Ein ganz besonderes "Konzert“-Projekt hat sich Bill Dietz ausgedacht. Das Publikum selbst wird zum Akteur in der "École de la claque“, seiner Schule des Klatschens. Dietz wirft einen Blick auf die Geschichte des Beifalls in Donaueschingen und fragt, warum heute aus Protest und Ablehnung keine Stühle mehr im Konzertsaal zerstört werden.

Stillsitzen, Konzentration, Applaus: In Donaueschingen könnte sich dieser Dreischritt als Ritual eines vergangenen Musikzeitalters entpuppen.

Die Donaueschinger Musiktage 2017 präsentieren vom 19. bis zum 22. Oktober 20 Uraufführungen sowie Klanginstallationen. Die Kulturstiftung des Bundes fördert die Donaueschinger Musiktage 2017 im Rahmen ihrer Spitzenförderung. Weitere Förderer sind das Land Baden-Württemberg, die Ernst von Siemens Musikstiftung, die Stadt Donaueschingen und der Südwestrundfunk. Alle uraufgeführten Kompositionen sind Auftragswerke des SWR und werden im Kulturprogramm SWR2 gesendet.

Einen Programmflyer der Donaueschinger Musiktage gibt es als PDF zum Herunterladen unter SWR.de/donaueschingen.

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