Anlässlich der Mitgliederversammlung des Trägervereins der Landesmusikakademie NRW stellten Flüchtlingsreferentinnen und -referenten von Musikverbänden und Kultureinrichtungen am 29. November ihre Arbeit vor. Die Institutionen fördern nicht nur Kulturprojekte mit Flüchtlingen, sondern begleiten sie beratend und vernetzend. Die Referenten diskutierten nun Fragen der Wirksamkeit und der Nachhaltigkeit mit dem Publikum.

Viola Boddin erläuterte die Förderprogramme für öffentliche Musikschulen im Lande. 160 kompakte Projekte von Musikschulen hat der Landesverband der Musikschulen in NRW seit 2016 mit Landesmitteln gefördert und auf den Weg gebracht. Das Format der Projekte folgt vorgegebenen Designs. Da sich diese Designs in Pilotprojekten nicht nur als wirksam, sondern auch als fördertechnisch unproblematisch bewährt haben, kann der Verband unbürokratisch fördern. Pilothaft entstand etwa aus Projekten der Musikschule Bochum ein Modellprojekt zum Spracherwerb mit Musik, das nun übertragen wird. Interkulturelle Fortbildungsangebote ergänzen die Förderung. Im Februar 2018 wird der Verband eine Fachtagung in Neuss ausrichten.

Sandra Hoch begleitet Förderprojekte des Landesmusikrats als Fachreferentin und schafft Foren des Austauschs. Sie kooperiert dabei eng mit dem Deutschen Musikinformationszentrum in Bonn. Nachdem einige Förderprojekte 2015 vorzeitig abgebrochen worden waren, entwickelt Sandra Hoch aus solchen Fällen Gelingensbedingungen von Integrationsarbeit mit Musik und einer nachhaltigen Wirkung. Die geförderten Projekte verändern sich deutlich, stellte die Referentin fest, sie werden kontinuierlicher, teils auch musikalisch anspruchsvoller und gehen von stabilen Personengruppen aus, eine Voraussetzung, die 2015 kaum gegeben war. Diskussionen mit Antragstellern und Flüchtlingen in den Projekten führen zu ständigen Anpassungen der Förderstrukturen.

Günfer Cölgecen vom NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste kümmert sich um interkulturelle Theater- und Tanzprojekte. "Hybride Kunst“ nennt sie Formate, die in ihrer Zielgruppe nur zum Teil Flüchtlinge einbeziehen und dadurch mehr Gemeinsamkeit der Gesellschaften schaffen. Das Landesbüro fördert besonders künstlerische Produktionen, die integrativ wirken. Es können zum Beispiel deutschsprachige Stücke sein, die durch die Förderung mehrsprachig werden. Das Büro vermittelt so genannte Guides in die Förderprojekte, die in sprachlichen und sozialen Fragen beraten und die die Vermittlungsqualität unterstützen. 22 Projekte gerieten bislang in den Fokus, von denen 13 einen Guide engagierten.

Matthias Witt, Fortbildungsreferent der Landesmusikakademie, lotet den Fortbildungsbedarf in den Musikprojekten mit Flüchtlingen aus. Was wird gebraucht, was gibt es schon? Gibt es nichts, entwickelt er selbst Angebote. Der Umgang mit Traumatisierung, musikpädagogische Hilfestellungen, Asylrecht, interkultureller Kompetenz und Ressourcen-orientiertem Arbeiten sind Themen, zu denen er Workshops oder Gesprächsrunden organisiert.

Kai Schabram, Bildungsreferent der Landesmusikakademie, moderierte und fragte nach Kriterien der Nachhaltigkeit: Augenhöhe und die aktive Partizipation der Flüchtlinge an den Projekten sind Schwerpunkte, die alle Referenten gleichermaßen setzen. Sandra Hoch sieht jede Form von gleichberechtigter Interaktion der Flüchtlinge in den Projekten als nachhaltig an. In Förderprojekten, die sie begleitet, wird mehr und mehr Verantwortung auf mitarbeitende geflüchtete Akteure übertragen. Dann sollte auch eine Honorierung stattfinden, um angemessenen Respekt auszudrücken. Aus der Arbeit im geschützten Raum wird damit ein mehr und mehr selbstbewusstes Auftreten im öffentlichen Raum, so Hoch.

Günfer Cölgecen findet oft feste Strukturen von Ensembles vor, die im Zuge ihrer Beratung dann offener werden. Viele brauchen einen professionellen Organisator. Eine Unterstützung der Organisationsfähigkeit, aber auch der Nachwuchsarbeit dieser Ensembles sorgt für nachhaltige Wirkungen. Intern muss die Kommunikation in einer gemeinsamen Sprache oft erst gelernt werden. Viola Boddin ergänzte, dass in den Projekten sowohl zugewanderte wie auch heimische Akteure teilnehmen müssten, damit sie nachhaltig wirken. Sandra Hoch betonte zudem, wie wichtig belastbare Musikpädagoginnen und -pädagogen seien, die mit heterogenen Gruppen umgehen und improvisieren könnten. Ein Schlüssel ist dabei auch die intensive Vor- und Nachbereitung des gemeinsamen Tuns, so Matthias Witt.

Aus dem Publikum fragte Anke Haun (BMU) nach der Rolle von Internationalen Vorbereitungsklassen in den Projekten. Viola Boddin schätzte den Anteil der Musikschulprojekte, die in Kooperation mit Allgemeinbildenden Schulen, gerade auch mit Vorbereitungsklassen, verlaufen, auf 30 %. Günfer Cölgecen hat sich mit Klassenprojekten beschäftigt. In ihrem Bereich waren sie oft weniger erfolgreich, weil die Schüler bei künstlerischen Projekten interessante neue Begegnungen mit Menschen erwartet hätten, doch letztlich in der Klasse blieben.

Wolfgang Bernhardt, Musikschulleiter in Greven, plädierte für Geduld und Zeitlassen nach dem Ankommen von Flüchtlingen. Er verwies auch auf die große Belastung vieler Grundschulen, die schon bestand, bevor die Kooperationspartner aus der Kultur auf sie zutraten. Nicht alles würde so angenommen, wie erwartet. Das Kulturministerium ermöglichte 2016 die Anschaffung von Instrumenten aus den Herkunftskulturen, doch manche Musikschulpädagoginnen und -pädagogen stellten fest, dass die Flüchtlinge eher Gitarre als Saz nachfragten. Viola Boddin bestätigte diese Erkenntnis.

Die Diskussion hätte noch viele Ansätze der Referenten weiterentwickeln können, doch die Mitglieder des Trägervereins der Landesmusikakademie mussten zur Mitgliederversammlung, ihren Vorstand entlasten. Direktorin Antje Valentin konnte aber auf die nahende Expertentagung zu diesem Thema verweisen: Am 14. und 15. Dezember veranstaltet die Landesmusikakademie Vorträge, praktische Workshops und Gespräche zu den Fragen:

  • Wie können künstlerisch-kulturelle/musikalische Projekte langfristig und nachhaltig Integration fördern?

  • Wie können diese Projekte die Angekommenen bei der gesellschaftlichen Teilhabe auf Augenhöhe unterstützen?

  • Wie kann sich die europaweite Flüchtlingshilfe-Bewegung vernetzen und Ihre gemeinsamen Stärken bündeln?

Dabei werden auch Projekte in ihrer praktischen Arbeit vorgestellt. Zum Beispiel lernen die Besucher den Berliner Begegnungschor durch Bastian Holze kennen, sie erleben Sprachförderung durch Singen in Grundschulen Kölns durch Ursula Kerkmann und Beate Glombek oder sie vertiefen sich in das Community-basierte Musiktherapieprojekt von Zainab Lax in Bielefeld.

Maren Lueg aus Hagen wird professionelle Ensemble-Arbeit mit klassischen westlichen und syrischen Musikern präsentieren, Matthias Rietschel die Initiativen, die von seinem Übehaus in Essen-Kray gegen Fremdenfeindlichkeit ausgehen. Anmeldung unter https://www.landesmusikakademie-nrw.de

Alle in diesem Bericht genannten Förderprogramme der Verbände und Institutionen werden vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW ermöglicht.

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