Joseph Joachim war einer der berühmtesten Geiger des 19. Jahrhunderts und einer der engsten Freunde von Johannes Brahms. Teile seines Nachlasses gehören zu den bedeutendsten Schätzen im Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck (MHL). Die wertvollen Materialen konnten dank Unterstützung der Hermann Reemtsma Stiftung in einem zweijährigen Projekt erschlossen und digitalisiert werden. Mit einem Festakt im Lübecker Brahms-Institut am Mittwoch, 21. März um 19 Uhr wird das Digitalisierungsprojekt nun vorgestellt und für die Öffentlichkeit freigeschaltet.

Musikautographe, Abschriften, Briefe, Fotografien und Zeitungsausschnitte gehören zum Nachlass. Sie ermöglichen Einblicke in das persönliche Leben von Joseph Joachim (1831–1907) und geben differenziert Auskunft über das Konzertwesen im deutschsprachigen Raum und England sowie die Interpretationsgeschichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Als Wunderkind gefördert, wurde Joachim zu einem der berühmtesten Geiger seiner Zeit. Schumann, Bruch, Brahms und Dvořák widmeten ihm ihre Violinkonzerte. Legendär wurde Joachim auch als Primarius des Joachim-Quartetts, das er gegründet hatte. Als Direktor der Königlichen Musikhochschule in Berlin gehörte er zu den prägendsten Musikerpersönlichkeiten seiner Zeit.

Herzstück des Nachlasses sind knapp 900 Briefe, die der Geiger an seinen ältesten Bruder Heinrich und seine Schwägerin Ellen nach London schrieb. Der Bruder war für Joachim eine wichtige Autorität. Ihm gegenüber glaubte er, immer wieder Rechenschaft ablegen zu müssen über seine Entscheidungen und Leistungen. Die Briefe geben Einblick in Joachims Entwicklung vom 13. Lebensjahr bis zu seinem Tod und spiegeln ein Stück europäischer Musik- und Zeitgeschichte wider. Sie werden in ihrer Gesamtheit erstmals veröffentlicht. Nur Auszüge einzelner Schreiben sind bisher in den Joachim-Briefausgaben erschienen. Musikwissenschaftlich bedeutend sind Joachims vielfache Äußerungen über prominente Komponisten und ihr Werk, so über Robert Schumann, Felix Mendelssohn, Johannes Brahms oder Giuseppe Verdi. 

Die Hermann Reemtsma Stiftung finanzierte das zweijährige Erschließungsprojekt des Brahms-Instituts im Rahmen ihres Förderprogramms "Kunst auf Lager“. Professor Dr. Wolfgang Sandberger, Projektleiter und Leiter des Brahms-Instituts an der MHL: "Wir sind der Hermann Reemtsma Stiftung außerordentlich dankbar, dass wir der Öffentlichkeit dieses national wertvolle Kulturgut zugänglich machen können“. Projektmitarbeiter Dr. Fabian Bergener hat in der zweijährigen Laufzeit 4500 Briefseiten übertragen und bibliothekarisch erschlossen, unterstützt vom ehrenamtlichen Mitarbeiter Volker Schmitz.

Die Briefübertragungen und Digitalisate der Originaldokumente werden beim Festakt am 21. März ab 19 Uhr für die Öffentlichkeit freigeschaltet. Die MHL-Professoren Daniel Sepec (Violine) und Manfred Aust (Klavier) stellen dann Kompositionen von Joseph Joachim vor. Auf dem Programm steht auch die Chaconne von Johann Sebastian Bach, ein Schlüsselwerk im Repertoire des damaligen Stargeigers. Wolfgang Sandberger und Fabian Bergener stellen das Erschließungsprojekt vor. Grußworte werden erwartet von Dr. Sebastian Giesen, Geschäftsführer der Hermann Reemtsma Stiftung und von Professor Rico Gubler, Präsident der MHL.