Hauptthema der Sitzung des Ausschusses für künstlerische Fragen im Deutschen Bühnenverein, der am 14. und 15. Mai 2018 am Stadttheater Gießen tagte, war das Thema "Theater und Kultur im ländlichen Raum“. In Referaten und anschließenden Diskussionen spielten Transformationsprozesse im ländlichen Raum eine zentrale Rolle. Der demografische Wandel und das dadurch bedingte Wegbrechen von Strukturen führen zu finanziellem Druck, oft zu einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse und damit zu einer Abwärtsspirale. Holger Schultze, Intendant des Theaters und Orchesters Heidelberg und Vorsitzender des Künstlerischen Ausschusses, sieht damit verbundene Gefahren: "Die Unterwanderung durch rechtspopulistische Initiativen kann hier demokratische Strukturen aushöhlen“.

Theater und Orchester kommen zunehmend in die Situation, den Wegfall von öffentlichen Strukturen kompensieren zu müssen. Das Theater sieht sich dabei wachsenden öffentlichen Erwartungen ausgesetzt: Als Begegnungsort, als touristische Destination, als Demokratieförderer und als Institution, die durch künstlerische Projekte die regionale Identität stärkt. Besonders wichtig ist dabei gerade im ländlichen Raum die Kommunikation mit den Menschen vor Ort und deren Partizipation. Aus Sicht des Ausschusses gibt es keine Lösungsmodelle, die überall funktionieren, stattdessen ist die Erarbeitung von Vor-Ort-Lösungen unentbehrlich.

Dazu Holger Schultze: "Der Prozess der Transformation muss ernst genommen und langfristig intensiv begleitet werden. Dabei kommt viel Kraft und Ideenreichtum aus den Regionen selbst. Dieses Potenzial muss allerdings systematisch gestärkt werden. Ehrenamt ohne Hauptamt ist keine Lösung, es muss Ansprechpartner*innen für Kultur, Bildung und Jugend vor Ort geben. Die Bereitschaft zum längeren Prozess, zur Entwicklung, muss da sein. Nur dann können auch die Theater und Orchester ihren Beitrag dazu leisten, dass neue Modelle für das Zusammenleben erarbeitet werden.“ Ein besonderes Augenmerk lag bei der Sitzung auf dem Musiktheater und seinen Transformationsprozessen. Die künftige Intendantin der Staatsoper Hannover, Laura Berman, beschrieb, dass sich Oper wandeln kann und muss, indem neue Werke von vornherein in Teamarbeit entstehen. Sie betonte, dass die traditionellen Hemmschwellen für den Opernbesuch abgebaut werden sollten.

Dorothea Hartmann, Leiterin der Spielstätte Tischlerei an der Deutschen Oper in Berlin, beschrieb die Möglichkeiten für neues Musiktheater durch die Verbindung mit Künstler*innen, die bislang keinen Kontakt zur Oper hatten: Auch die Musik und die Musiker*innen selbst können Teil der Aufführungen werden. Der Weg zu zeitgenössischem Musiktheater führe über interdisziplinäres und spartenübergreifendes Arbeiten.