Die kolumbianischen Theatermacher Heidi und Rolf Abderhalden vom Kollektiv Mapa Teatro, die schweizerisch-brasilianische Fotografin und Menschenrechtlerin Claudia Andujar und der ungarische Komponist und Dirigent Péter Eötvös sind am 28. August mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet worden. Das Goethe-Institut verleiht das offizielle Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland jedes Jahr an Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise für den internationalen Kulturaustausch eingesetzt haben. Der Präsident des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann ehrte damit das Engagement der vier Preisträgerinnen und Preisträger, die sich besonders für einen Neubeginn nach der "Katastrophe“ eingesetzt haben. Die Verleihung der Goethe-Medaillen fand in Anwesenheit der Staatsministerin für internationale Kulturpolitik Michelle Müntefering, des Thüringer Ministers für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chefs der Staatskanzlei Benjamin-Immanuel Hoff und des Oberbürgermeisters der Stadt Weimar Peter Kleine statt.

Klaus-Dieter Lehmann betonte in seiner Eröffnungsrede das Denken, Arbeiten und das künstlerische Talent der Preisträgerinnen und Preisträger, die sich stets entschieden für emanzipatorische Bewegungen und Positionen eingesetzt und gegen Repressionen und gesellschaftliche Ungerechtigkeit aufbegehrt haben: "Alle vier Preisträger sehen in der künstlerischen Ausdrucksfähigkeit ein wesentliches Element des menschlichen Zusammenlebens und der menschlichen Teilhabe. Ohne kulturelles Verständnis, ohne Dialogfähigkeit wird unsere Welt immer weniger verständlich. Es braucht Menschen, die sich aktiv der kulturellen Vermittlung widmen, auch mit der Fähigkeit des Umgangs mit kulturellen Unterschieden - sei es in Südamerika, Afrika oder Europa.“ Die erste Vizepräsidentin des Goethe-Instituts und Vorsitzende der Kommission zur Verleihung der Goethe-Medaille Christina von Braun unterstrich: "Unsere drei Preisträger haben in Situationen des Bürgerkriegs und der Vertreibung Mut bewiesen und zugleich gezeigt, dass Kultur und Sprache etwas gegen Gewalt bewirken können.“

Péter Eötvös

Der Schriftsteller und Dramatiker Albert Ostermaier sprach in seiner Laudatio an Péter Eötvös über die Fähigkeit des Komponisten, das Unsichtbare mit seiner Musik sichtbar zu machen: "Atlantis, so heißt eine seiner frühen Opus, dieses Atlantis, es könnte auch, versunken in der Unterbühne liegen, oder sein Stück Levitation genau hier unter den bebenden Brettern. Jeder Ort ist ein Ort der Ohren, bei ihm lernen die Augen zu hören, die Ohren zu sehen. Und noch viel mehr: Er legt sie frei, die Mechanik des Unsichtbaren. Er ist ein Sprachakrobat, denn seine Musik spricht alle Sprachen und jedes Stück eine neue, er ist ein Stimmakrobat, er lernt die Sprachen, indem er sie den Stimmen abhört, aber seine Stimmen ergeben kein Babylon, sondern vermehren, überlagern, widersprechen, überschlagen sich, verschmelzen zu einer einzigen, universellen Sprache, die jeder versteht und die alles unverständlich Geglaubte verstehen lässt im Hören. Seine Musik befreit uns.“

Für den ungarischen Komponisten und Dirigenten Péter Eötvös ist Musik eine intensive Kommunikation zwischen Komponist, Interpret und Publikum. 1944 in Transsilvanien geboren – für ihn ein Sehnsuchtsort, der seine Kompositionen geprägt hat – hat er früh den Kontakt zu zeitgenössischen europäischen Musikkulturen gesucht. In den 1960er Jahren fand er den Anschluss an die Kölner Musik-Avantgarde und leitete 1978 auf Einladung von Pierre Boulez das Eröffnungskonzert des Institute de Recherche et Coordination Acoustique/Musique (IRCAM) in Paris. Péter Eötvös zählt zu den erfolgreichsten Opernkomponisten unserer Zeit – seine außergewöhnlichen Klangkompositionen stellen unablässig existentielle Fragen, für die der Komponist musikalisch eindringliche, oft überwältigende Antworten erfindet. Mit dem 1991 gegründeten "Internationalen Péter Eötvös Institut für junge Dirigenten und Komponisten“ schafft er eine Plattform, um erworbenes Wissen und gelebte Erfahrung an die nächste Generation weiterzugeben. Von 1992 an lehrt Péter Eötvös an der Musikhochschule in Karlsruhe, übernimmt 1998 eine Professur an der Kölner Musikhochschule, um 2002 für fünf weitere Jahre nach Karlsruhe zurückzukehren. Seit den 1990er Jahren widmet Péter Eötvös sich verstärkt der Komposition von Konzertwerken und Opern. Seinen Durchbruch erzielt er 1998 mit der an der Opéra de Lyon uraufgeführten Oper "Trois soeurs“ nach Anton Tschechows Schauspiel "Drei Schwestern“, einem sensationellen Erfolg. Fortan teilt er seine Zeit zwischen dem Dasein als Dirigent und als Komponist auf und widmet sich dabei auch politischen Themen wie in dem Musiktheater "Der Goldene Drache“, welches sich mit Globalisierung und Migrationspolitik befasst und 2014 als Auftragskomposition für das Ensemble Modern an der Oper Frankfurt uraufgeführt wurde.

Über die Goethe-Medaille

Die Goethe-Medaille wurde 1954 vom Vorstand des Goethe-Instituts gestiftet und 1975 von der Bundesrepublik Deutschland als offizielles Ehrenzeichen anerkannt. Die Goethe-Medaille wird zum Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe, am 28. August, verliehen. Seit der ersten Verleihung 1955 sind insgesamt 348 Persönlichkeiten aus 65 Ländern geehrt worden. Zu den Preisträgerinnen und Preisträgern gehören unter anderen Daniel Barenboim, Pierre Bourdieu, David Cornwell alias John le Carré, Sir Ernst Gombrich, Lars Gustafsson, Ágnes Heller, Petros Markaris, Sir Karl Raimund Popper, Jorge Semprún, Robert Wilson, Neil MacGregor, Helen Wolff, Juri Andruchowytsch oder Irina Scherbakowa.

Absätze