Die Präsidentin des Goethe-Instituts Jutta Limbach verlieh am 22. März in Weimar die diesjährigen Goethe-Medaillen an den israelischen Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim, den ungarischen Schriftsteller und Übersetzer Dezső Tandori und den koreanischen Theaterdirektor, Regisseur und Liedermacher Min’Gi Kim. Mit der Goethe-Medaille, die als offizieller Orden der Bundesrepublik anerkannt ist, ehrt das Goethe-Institut herausragende Persönlichkeiten für ihr besonderes Engagement im internationalen Kulturdialog.

Jutta Limbach betonte in ihrer Begrüßungsrede, dass die heute mit der Goethe-Medaille Ausgezeichneten Vorbilder einer geglückten auswärtigen Kulturarbeit seien. Sie betrieben diese als einen Prozess des intellektuellen Gebens und Nehmens, statt lediglich Produkte künstlerischen Schaffens zu exportieren oder zu importieren. Offen für die Denkweisen und Erfahrungshorizonte anderer Kulturen, seien sie bereit, sich auf einen gegenseitigen Lernprozess einzulassen. Dabei befänden sie sich im Einklang mit dem Goethe-Wort, dass es keine patriotische Kunst und patriotische Wissenschaft gebe, sondern dass beide wie alles Gute der ganzen Welt angehörten und nur durch allgemeine freie Wechselwirkung aller gefördert werden könnten. In der anschließenden Festrede präsentierte der Schriftsteller und Drehbuchautor Thomas Brussig ("Helden wie wir", "Am kürzeren Ende der Sonnenallee") den Namenspatron der verliehenen Auszeichnung, Johann Wolfgang von Goethe, als universal begabten und interessierten Politiker, Intellektuellen und Naturforscher.

Daniel Barenboim wurde für sein Engagement für den grenzüberschreitenden Austausch insbesondere junger Musiker geehrt: Das West-Östliche Diwan-Orchester, das der Pianist und Dirigent gemeinsam mit dem palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said gründete und das 1999 erstmals in Weimar zusammenkam, bringt junge Musiker aus Israel, den Palästinensischen Autonomiegebieten, dem Libanon, Ägypten, Syrien, Jordanien und Europa zu gemeinsamen Workshops und Konzerttourneen zusammen. Barenboims Tun, so die Laudatorin Adrienne Goehler, freie Publizistin und Kuratorin, sei auf Resonanzen angelegt, im Dirigieren wie im Klavierspiel, im Aufbau einer Jugendmusikschule in den Palästinensischen Autonomiegebieten und Musikkindergärten in Ramallah und in Berlin. Er überführe Dialoge in einen offenen gemeinsamen Raum, in eine Polyphonie, um Unterschiede zu verstehen, sich verändern zu lassen und daraus gemeinsame Positionen entwickeln zu können. In Vertretung von Daniel Barenboim nahm Nassib Al-Ahmadieh, ein junger libanesischer Musiker des West-Östlichen Diwan-Orchesters, der an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar Cello studiert, die Goethe-Medaille entgegen.

Der Theaterdirektor, Regisseur und Liedermacher Min’Gi Kim wurde für sein gesellschaftliches Engagement und seine künstlerische Arbeit mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet. Vermittelt durch das Goethe-Institut Seoul, entstand eine langjährige fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Min’Gi Kim und Volker Ludwig sowie dem GRIPS Theater Berlin. Kims koreanische Adaption des deutschen Rockmusicals "Linie 1" wurde zum meistgespielten Theaterstück in Korea. So begeistert es seit mehr als zehn Jahren in Seoul ebenso wie auf Tournee durch China, Japan oder Deutschland ein junges Publikum für engagiertes, sozialkritisches und unterhaltsames Theater. Der Leiter des GRIPS Theaters Berlin Volker Ludwig betonte in seiner Laudatio die Sensibilität von Kims koreanischer Übertragung: " ’Linie 1’ war von über 150 Theatern in Deutschland und in aller Welt nachinszeniert worden. Doch Min’Gi Kim war der erste, der dem Stück wahrhaftig auf den Grund ging und dessen Seele erfasste und benannte." Durch seine Bedeutung für den koreanischen Widerstand hat Kim entscheidend zur kulturpolitischen Annäherung Koreas an Deutschland beigetragen. Die Auszeichnung mit der Goethe-Medaille ehrt seine besonderen Verdienste um die internationalen Kulturbeziehungen zwischen beiden Ländern.

Dezső Tandori wurde für seinen herausragenden Beitrag zum literarischen Austausch zwischen Deutschland und Ungarn geehrt. Der Übersetzer und Schriftsteller Dezsö Tandori ist eine der schillerndsten und experimentierfreudigsten Persönlichkeiten der ungarischen Literatur. Seine Übersetzungen aus dem Deutschen umfassen viele Tausend Seiten. Als "geborener Tausendsassa des dichterischen Wortes", so György Konrád, Essayist und ehemaliger Präsident der Akademie der Künste in Berlin, vermöge er in eines jeden Haut zu schlüpfen. Tandori übertrug zentrale Werke der deutschsprachigen Literatur und Philosophie, unter anderem von Johann Wolfgang von Goethe, Wolfram von Eschenbach, Robert Musil, Thomas Bernhard, Friedrich und August Wilhelm Schlegel, Arthur Schopenhauer, Walter Benjamin und Theodor W. Adorno ins Ungarische. "Er hält sich für einen bescheidenen Handwerker. Doch schiebst du ihm die Weltliteratur vor die Nase, inklusive der deutschen Klassik und Moderne, dann macht er ’hamm’, verschlingt die Hälfte und gibt sie stets schön auf Ungarisch zurück", so der Laudator Konrád. Für Dezsö Tandori nahm der Botschafter Ungarns in Deutschland Sándor Peisch die Goethe-Medaille von Jutta Limbach entgegen.

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