Die Türkei ist für die internationale Unterhaltungsindustrie ein ernst zu nehmender Musikmarkt. Das Partnerland der diesjährigen Popkomm bietet den 60 auf der Messe vertretenen Nationen Businesschancen, die bisher kaum genutzt wurden. Denn in der Heimat der Popkomm ist die größte türkischstämmige Gemeinde Europas zu Hause. Hier feiern türkische Stars wie Tarkan und Mustafa Sandal Erfolge.

In der Türkei leben 71 Millionen Menschen, in Deutschland 1,76 Millionen mit türkischen Wurzeln. Jeweils ein Drittel ist unter 30 Jahren – ein Publikum, das sich besonders stark für Musik interessiert. 2005 wurden in der Türkei mit 12,5 Millionen mehr CDs als in Polen, Österreich oder Norwegen verkauft. 92 Prozent davon stammen von einheimischen Musikern. Über eine Million Alben werden pro Jahr nach Deutschland exportiert. Türkische Plattenfirmen beschäftigen dieselben Themen wie die weltweite Tonträgerindustrie: Produktpiraterie, illegale Downloads und massenhaft privat gebrannte CDs. Der Live-Sektor und der Handel mit Rechten und Lizenzen aber versprechen Unternehmen Perspektiven, die in der Vergangenheit kaum genutzt wurden, sagen Türkei-Pioniere wie Mark Chung vom Hamburger Musikverlag Freibank und Jochen Kühling vom Berliner Label P.L.A.K. Music.

Die wohl bekannteste türkische Popmusikerin ist Sezen Aksu. Die Musikszene Istanbuls brodelt. Im angesagten Stadtteil Beyoglu boomt die DJ-Kultur. Im asiatischen Viertel Üsküdar hat der Pionier Ceza dem Rap zum Durchbruch verholfen. In Ankara dagegen blüht Metal.

Freibank und P.L.A.K. schätzen das künstlerische Potential der Türkei und die Verlässlichkeit ihrer Partner. Mark Chung von Freibank sagt: „Die Wahrnehmung türkischer Rechte wurde anfangs durch administrative Probleme und unberechtigte Anspruchsteller erschwert. Viele dieser Probleme sind heute gelöst. Die kürzliche Einigung der vier, teils konkurrierenden Verwertungsgesellschaften auf ein Lizensierungsverfahren lässt eine deutliche Steigerung der Vergütungen aus Radio und Fernsehen und vielleicht auch eine Lizenzierung der Liveclubs erwarten.“

Jochen Kühling, dessen Label P.L.A.K. Music Jungstar Muhabbet sowohl an der Spree als auch am Bosporus groß machte, sieht in der Türkei als Partnerland der Popkomm das richtige Signal: „Für die nach Inspirationen suchende deutsche Musikindustrie ist das eine Chance. Türkische Musik bietet einen Melodienreichtum, von dem wir hier nur träumen. Die Emotionalität, der reizvoll neue Sound – all das hat auf der Popkomm seinen großen Auftritt.“ Kühling sieht viel Potential für Geschäfte: „Events boomen. Deutschen Veranstaltern bieten sich hier viele Möglichkeiten. Fehlende Erfahrung mit der jeweiligen Businesskultur war bisher ein Hemmschuh. Das dürfte sich durch die Popkomm ändern.“

Seit die türkische Verwertungsgesellschaft MESAM bestehe, pflege sie enge Beziehungen zur deutschen GEMA, sagt Generalsekretär Necmettin Ovacik. Er erwartet sich von der Messe in Berlin frische und innovative Ansätze für die Märkte beider Länder, zumal es für türkische Musik in Europa ein großes Publikum gebe.

Auch Ali Cosar von Pozitif Edisyon in Istanbul setzt große Hoffnungen in die Popkomm. Sein Verlag arbeitet seit Jahren mit Freibank sowie anderen deutschen Firmen. Pozitif hat neben Fatih Akins Kinoerfolgen weitere deutsche Filme mit Songs versorgt. „Die türkische Musikindustrie kann ihren Katalog in Berlin aller Welt vorstellen sowie neue Talente und Kunden finden.“

Dr. Ralf Kleinhenz, Geschäftsführer der Popkomm GmbH, sieht in der Zusammenarbeit mit der Türkei auch eine Bestätigung für das generelle Messekonzept Partnerland: „Längst ist die Popkomm zum Pflichttermin der internationalen Musikbranche avanciert. Um ausländischen Unternehmen den Einstieg in andere Musikmärkte zu erleichtern, stehen Austausch, Vernetzung, Information und Know-how im Zentrum. Partnerländer wie die Türkei profitieren enorm von dem Forum, das ihnen die Businessmesse Popkomm bietet.“

Holger Hey, Geschäftsführer der 2003 gegründeten Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, spürt „enorme Dynamik in den wirtschaftlichen Beziehung beider Länder“. Er sieht „in der türkischen Musikwirtschaft eine stark aufstrebende neue Branche.“

Als internationale Plattform der Musik- und Entertainment-Wirtschaft zieht die Popkomm Tausende Fachbesucher aus aller Welt an. Das Alleinstellungsmerkmal der Popkomm ist das integrierte Veranstaltungskonzept. Als einziger Branchentreff der Welt verbindet die Popkomm Fachmesse, Kongress und Festival. Deshalb ist die Popkomm nicht nur für das Kerngeschäft mit der Musik attraktiv. Sie lockt auch Branchen wie die Konzertindustrie, Film, Mobile Entertainment, Mode und Werbung in die Hallen unter dem Berliner Funkturm. Die Popkomm ist 2008 in ihrer fünften Auflage zu erleben. Seit dem Wechsel der Musikmesse von Köln nach Berlin waren Frankreich, Spanien, Brasilien und Deutschland Partnerländer der Popkomm. Veranstalter ist die Popkomm GmbH, Berlin.