Die südkoreanische Komponistin Unsuk Chin  
Foto:  Rui Camilo  /  EvS Musikstiftung

Der internationale Ernst von Siemens Musikpreis geht 2024 an die südkoreanische Komponistin Unsuk Chin. Die Auszeichnung für ein Leben im Dienste der Musik ist mit 250.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung findet am 18. Mai 2024 im Herkulessaal der Münchner Residenz statt. Die mit je 35.000 Euro ausgestatteten Förderpreise Komposition gehen 2024 an Bára Gísladóttir aus Island, den Italiener Daniele Ghisi sowie Yiqing Zhu aus China.

Ernst von Siemens Musikpreis 2024 an Unsuk Chin

Mit Unsuk Chin zeichnet die Ernst von Siemens Musikstiftung eine international renommierte Komponistin aus, deren Werke weltweit aufgeführt werden. Mit ihren großen Erfolgen wie der Oper Alice in Wonderland hat sie der Neuen Musik neue Wege aufgezeigt und ein breites Publikum begeistert. Chin setzt tradierte Konzepte wie Melodie und Harmonik nicht außer Kraft, sondern interpretiert sie immer wieder neu. Ihre Werke zeichnen sich durch luzide, traumhafte Klänge und eine humoristische Leichtigkeit aus. Es entsteht eine Musik, zu der das Publikum leicht Zugang findet, die aber gleichzeitig komplex und herausfordernd bleibt. Chin versteht sich als internationale Komponistin, die sowohl mit der asiatischen wie auch westlichen Kultur vertraut ist.

Unsuk Chin wurde 1961 in Seoul geboren. Sie studierte zunächst Komposition in Südkorea bevor sie durch ein DAAD-Stipendium die Möglichkeit erhielt, ihr Studium bei György Ligeti in Hamburg fortzusetzen. Ende der 1980er Jahre zog sie nach Berlin. Hier lernte sie elektroakustische Musik kennen, die ihr kompositorisches Denken bis heute prägt. Aus dieser Erfahrung erschließt sie sich ein unendliches Spektrum an Klangmöglichkeiten, vom reinen bis hin zum verstärkten und elektronisch veränderten Instrumentalklang. Dies ist für sie der Fundus, aus dem sie Ideen entwickelt. Unsuk Chin beschreibt ihre Musik selbst als „Spiegelbild meiner Träume. Ich versuche in der Musik den Eindruck strahlenden Lichts und die Leuchtkraft der Farben aus meinen Träumen einzuflechten, ein Spiel des Lichts und der Farben, das den Raum erfüllt und eine akustische Form annimmt.“

Unsuk Chin hat Werke für alle musikalischen Gattungen und Besetzungen geschrieben. Ein Meilenstein in ihrer Karriere ist das Violinkonzert Nr. 1 (2001). Dieses Werk wurde für eine Synthese aus glitzernder Orchestrierung, seltener Klangfülle, Flüchtigkeit des Ausdrucks, musikalischen Rätseln und unerwarteten Wendungen ausgezeichnet. Einen Einschnitt in ihrem kompositorischen Schaffen markiert für sie das Konzert Šu für Sheng und Orchester. Šu ist für Wu Wei und das Tokyo Symphony Orchestra entstanden und wurde 2009 in der Suntory Hall uraufgeführt. Erstmals komponierte sie für ein traditionelles asiatisches Instrument. Dieses Werk habe ihre Perspektive erweitert und einen Zugang zu koreanischer Musik geschaffen. 2007 wird ihre bisher einzige Oper Alice in Wonderland an der Bayerischen Staatsoper in München unter Kent Nagano uraufgeführt und begeistert Presse und Publikum gleichermaßen. Hier zeigt sich Chins Klangfantasie sowie ihr synästhetischer Sinn für Farbe und Aroma der Musik.

Die Verbindung zu ihrem Heimatland hat Unsuk Chin bis heute nicht verloren. Von 2006–2018 leitete Chin die von ihr gegründete Neue Musik-Reihe des Seoul Philharmonic Orchestra. Seit 2022 ist sie künstlerische Leiterin sowohl des Tongyeong International Festival in Südkorea als auch des Weiwuying International Music Festival in Taiwan. In dieser Saison ist sie Composer in Residence beim Sinfonieorchester Basel.

Unsuk Chins Werke werden seit 1994 exklusiv beim Verlag Boosey & Hawkes verlegt.

Preisverleihung am 18. Mai 2024 in der Münchner Residenz

Die Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises und der Förderpreise Komposition findet am 18. Mai 2024 im Herkulessaal der Münchner Residenz statt. Die Laudatio auf Unsuk Chin hält Louwrens Langevoort, Intendant der Kölner Philharmonie. Das Ensemble intercontemporain spielt unter der Leitung seines neuen musikalischen Direktors Pierre Bleuse Werke der Preisträgerin. Die Förderpreisträger*innen werden in filmischen Kurz-Porträts von Johannes List und mit eigenen Werken vorgestellt.

Förderpreise an Bára Gísladóttir aus Island, den Italiener Daniele Ghisi sowie Yiqing Zhu aus China

Die mit je 35.000 Euro dotierten Förderpreise Komposition gehen 2024 an Bára Gisladottir aus Island, den Italiener Daniele Ghisi sowie Yiqing Zhu aus China. Neben dem Preisgeld sind auch Musikproduktionen Teil der Auszeichnung.

Bára Gísladóttir
Bára Gísladóttir (*1989) ist eine isländische Komponistin und Kontrabassistin. Sie studierte Komposition an der Iceland Academy of the Arts in Reykjavík, am Conservatorio di Musica "Giuseppe Verdi" in Mailand und an der Royal Danish Academy of Music in Kopenhagen. Als aktive Performerin spielt sie regelmäßig ihre eigene Musik, solo oder mit ihrem langjährigen Duopartner Skúli Sverrisson. Gelegentlich tritt sie auch als Solistin mit Ensembles und Orchestern auf, zuletzt mit ihrem eigenen Kontrabasskonzert Hringla mit Copenhagen Phil und dem Iceland Symphony Orchestra.

Daniele Ghisi
Daniele Ghisi (*1984) studierte in seinem Heimatland Italien Komposition bei Stefano Gervasoni in Bergamo sowie Mathematik in Mailand. Des Weiteren belegte er Meisterkurse bei Helmut Lachenmann, Brian Ferneyhough, Michael Jarrell und Pierluigi Billone. 2017 promovierte er am Ircam und an der Sorbonne in Komposition und Musikforschung. 2020 ging er als wissenschaftlicher Mitarbeiter nach Berkley an die University of California. Derzeit unterrichtet er am Konservatorium in Turin elektroakustische Komposition.
Er ist Mitbegründer des Kollektivs /nu/thing und Mitgestalter des Projekts "bach: automated composer's helper", einer computergestützten Echtzeit Kompositionsbibliothek.

Yiqing Zhu
Yiqing Zhu (*1989) ist ein chinesischer Komponist und Pianist. Schon als Kind erlernte er eine Reihe von Instrumenten, u.a. Klavier, Akkordeon und Geige. 2008 begann er sein Studium der Komposition am Shanghai Conservatory of Music. Im Rahmen des Erasmus-Programms setzte er seine Studien an der Königlich Dänischen Musikakademie fort. Anschließend ging er an die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst nach Stuttgart, wo er 2019 sein Studium abschloss. Zu seinen Lehrern zählen Huang Lv, Niels Rosing-Schow und Marco Stroppa. Derzeit ist Zhu Lehrer für Komposition am Shanghai Conservatory of Music. Neben zeitgenössischer Musik beschäftigt er sich auch mit traditioneller östlicher Musik, Jazz und Weltmusik.

Förderpreise Ensemble '24

Der Förderpreis Ensemble der Ernst von Siemens Musikstiftung wurde 2020 ins Leben gerufen, um Ensembles möglichst individuell und nachhaltig in ihrer künstlerischen und strukturellen Weiterentwicklung zu unterstützen. Jährlich stehen hierfür 150.000 Euro zur Verfügung. Für die Ensemble-Förderpreise '24 fiel die Wahl des Kuratoriums auf das Broken Frames Syndicate aus Frankfurt sowie Frames Percussion aus Spanien.

Die Bewerbungsfrist für die Förderpreise Ensemble '25 endet am 15. März 2024:
Ensemble Preis - Preisträger | Ernst von Siemens Musikstiftung (evs-musikstiftung.ch)

Bewerben können sich junge, professionelle Ensembles. Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung ist, dass das Ensemble mit einer Stammbesetzung langjährige Konzerterfahrung nachweisen kann. Zudem sollten die Ensemblemitglieder mehrheitlich jünger als 35 Jahre sein. Das Ensemble sollte sich überwiegend dem zeitgenössischen Repertoire widmen.

Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt insgesamt 3,65 Millionen Euro Projektförderung

Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt 2024 insgesamt 3,65 Millionen Euro an Fördermitteln. Der größte Anteil der Fördersumme geht mit über drei Millionen Euro an zeitgenössische Musikprojekte weltweit. Die Ernst von Siemens Musikstiftung fördert Kompositionsaufträge für kleine Besetzungen bis hin zu Chor- und Orchesterwerken von Portugal bis Finnland, von Australien bis Griechenland. Auch werden Kompositionsaufträge für Musiktheater ermöglicht, in diesem Jahr beispielsweise an Lucia Ronchetti für ihre Uraufführung bei den Schwetzinger SWR Festspielen. Konzerte und Festivals von Tel Aviv über Krakau und Paris bis nach New York erfahren ebenfalls Förderungen. Die Erschließung und Katalogisierung der Bibliothek Hans Werner Henzes wird mit Unterstützung der Ernst von Siemens Musikstiftung zum Abschluss gebracht. Auch zahlreiche Akademien für junge Komponist*innen und Interpret*innen werden unterstützt, wie beispielsweise die International Young Composers Academy Ticino.

Auch im Bereich der Nachwuchsförderung ist die Musikstiftung tätig. In diesem Jahr wird u.a. ein Projekt unterstützt, in dem Jugendliche eigene Werke komponieren, die dann im Rahmen eines Familienkonzerts präsentiert werden.

Die Bewerbungsfrist für die Projektförderung endet am 1. März 2024:
EvS-Förderung | Ernst von Siemens Musikstiftung (evs-musikstiftung.ch)

räsonanz – Stifterkonzerte
Die Ernst von Siemens Musikstiftung stellt außerdem Mittel für die Reihe räsonanz – Stifterkonzerte zur Verfügung. Gemeinsam mit Lucerne Festival und der musica viva des Bayerischen Rundfunks ermöglicht die Stiftung jährliche Konzerte mit internationalen Spitzenorchestern und renommierten Solist*innen, die Werke zeitgenössischer Komponist*innen aufführen. Die Konzerte finden am 12. September 2024 im KKL Luzern und am 28. September 2024 im Münchner Prinzregententheater statt.