Die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, ehemalige Vorsitzende der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages, erklärt anlässlich der jetzigen Vorlage des Tätigkeitsberichtes der Enquete-Kommission:

Der Tätigkeitsbericht der Enquete-Kommission liegt nun vor. Infolge der vorzeitigen Auflösung des Deutschen Bundestages und der damit verbundenen Auflösung der Enquete-Kommission konnte diese keinen Schlussbericht mehr erstellen. Um zu verhindern, dass die Ergebnisse verloren gehen, ist ihre Arbeit in einem 894 Seiten starken Tätigkeitsbericht und vier Materialbänden festgehalten worden.
Nach wie vor werden in Deutschland über 90% der Mittel für Kultur aus staatlichen Haushalten aufgebracht. Um diese Förderung werden wir in anderen Ländern beneidet. Der Bestand von „Kultur in Deutschland“ ist allerdings infolge angespannter Haushaltslagen zunehmend gefährdet. Die gebetsmühlenhafte Rede vom so genannten Subventionsabbau ist jedenfalls für den Bereich der Kultur mehr als nur ein laxer Sprachgebrauch. Der investive Charakter der Ausgaben für Kultur wird verkannt.
Die Folgen sind sichtbar und nachhaltig – negativ. Die Schließung von Theatern, Orchestern, Bibliotheken oder Musikschulen steht auf der Tagesordnung. Der Spareffekt ist schon tagespolitisch zweifelhaft. Denn kein Kulturetat ist so beschaffen, dass sich mit seiner Hilfe die Not eines öffentlichen Haushaltes beheben ließe.
Mittelfristig kommt eine solche Politik aber einem Raubbau gleich. Was jetzt verloren geht, wird wohl verloren bleiben – selbst wenn sich die Haushaltslagen entspannen. Und es besteht die Gefahr, dass der gesellschaftspolitische Konsens über die öffentliche Verantwortung für Kultur untergraben wird. Dies kann und darf nicht sein. Denn Kultur ist weder Sahnehäubchen noch Ornament. Kultur ist Lebensmittel, das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft steht und auf das sie baut.
Dies heißt nicht, Strukturen nicht hinterfragen zu dürfen. Aber dies kann nur nach sorgfältiger Analyse des aktuellen Bestands erfolgen. Dabei wäre es ein verhängnisvoller Fehler, Kulturpolitik auf bloße Finanzpolitik zu reduzieren. Vielmehr muss das noch brach liegende Feld der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Kulturbereich urbar gemacht werden.

Zur Verbesserung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen empfiehlt die Enquete-Kommission u.a. die Aufnahme der Kultur als Staatsziel im Grundgesetz. Ziel soll es sein, Gerichten und Verwaltungen in ihren Abwägungs- und Ermessenprozessen einen Auslegungsmaßstab zugunsten der Kultur an die Hand zu geben. Dies bedeutet keinen subjektiven Anspruch für einzelne Kulturschaffende. Auch ist damit keine Aufstockung von Kulturhaushalten verbunden. Aber es können Grenzen zum Schutz der Kultur gezogen werden. Schutz braucht auch unser nationales System der Kulturförderung, stellte die Kommission fest. Der Handlungsspielraum staatlicher Kulturförderung gegenüber der WTO (zum Beispiel im Rahmen von GATS) und der EU muss gewährleistet bleiben. Eine grundlegende Einigung auf EU-Ebene über die Vereinbarkeit von staatlicher Kulturförderung im Hinblick unter anderem auf europäisches Beihilferecht und die Dienstleistungsrichtlinie wird angestrebt. Empfehlungen beziehen sich auch auf die praktikable Umsetzung von EU-Richtlinien, angefangen von der Lärmschutz- bis hin zur Arbeitszeit-Richtlinie Auch national besteht Handlungsbedarf. So wird empfohlen, die Haushaltsgrundsätze wie das Prinzip der Jährlichkeit für den Kulturbereich aufzuheben. Davon würde jede Bühne profitieren, deren Spielpläne zurzeit unter dem Damoklesschwert der jährlichen Haushaltsaufstellung stehen. Es wird außerdem empfohlen, Bürokratie abzubauen, wie im Bereich der Ausländersteuer und der steuerlichen Behandlung von Künstlerinnen und Künstler. Auch für die Künstlersozialversicheurng hat die Kommission mögliche Reformansätze mit dem Ziel ihrer Stabilisierung diskutiert, so zum Beispiel eine verstärkte Überprüfung der Eingangsvoraussetzungen oder Reformen innerhalb der Verwaltung der KSK. Daneben sind ergänzende Modelle, wie z.B. eine selbstverwaltete Altersvorsorge, Optionen für die Zukunft. Die Kommission war sich einig, den Stiftungsboom der letzten Jahre gesetzlich weiter zu fördern. Der rechtliche Rahmen für neue Formen der Kooperation (z.B. PPP) sollte fortentwickelt werden.
Weitere Empfehlungen standen an, konnten jedoch wegen der überraschenden Beendigung der Enquete-Kommission nicht mehr formuliert werden. Ihre Grundlage ist aber durch den Tätigkeitsbericht gelegt. Damit ist die Basis geschaffen, dass eine neue Enquete-Kommission unverzüglich die Arbeit aufnehmen und an die bisherige Arbeit anknüpfen kann. Der Ball liegt jetzt bei den Parlamentariern. Es ist an diesen ihn aufzunehmen, nach vorne zu spielen und zum erfolgreichen Abschluss zu bringen. Voraussetzung dafür ist allerdings, die Spielpause so kurz als möglich zu halten.

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