Meditativ, mit einem kaum zu hörenden Knistern, fängt es an. Ein schnödes Blatt Papier wird gerieben, geknüllt, Solist Johannes Fischer pfeift darauf. Verhalten, nahezu kontemplativ auch das Orchester: summend, mit im Tutti umgeschlagenen Notenblättern beschränkt sich der Beitrag der Musiker zunächst auf rein Atmosphärisches. Dann das langsame Erwachen: Die drei eben noch jungfräulich ruhenden, zwischen dem Orchester hängenden zehn Meter langen Papierbahnen werden von Johannes Fischer und den beiden Co-Solisten vor dem Hintergrund eines sich immer ekstatischer windenden, orchestralen Klangapparats geschlagen, als wenn es kein Morgen gäbe.

Zum ersten Mal in seiner nun 40-jährigen Geschichte hat das Bundesjugendorchester in diesem Winter ein Werk des chinesischen Komponisten Tan Dun aufgeführt. Das „Paper Concerto" stand im Zentrum der Konzertdramaturgie, die unter dem lautmalerischen Titel der „Transsibirischen Eisenbahn“ angekündigt wurde. Kirill Petrenko, ehemaliger Chefdirigent der Komischen Oper in Berlin, hat mit den 100 jungen Musikern des Orchesters in einer gemeinsamen Probenwoche ein in vielerlei Hinsicht gewaltiges Programm erarbeitet. Neben Tan Dun stand Arthur Honeggers vertonte Fahrt mit einer Dampflok, das Werk „Pacific 231“, auf dem Programm, außerdem Igor Strawinskys Ballettmusik „Der Feuervogel“ und eine musikalische Zwischenstation in der Mongolei mit Obertongesang und Pferdekopfgeige. „Das Programm ist schon ein Hammer“, sagt Petrenko. „Ich merke genau, dass die Jugendlichen unbedingt ihr Bestes geben wollen, vielleicht sogar noch mehr“. Tatsächlich entwickelte sich während der gemeinsamen Probenphase eine kreative Schaffenskraft, die in ihrer Vielfalt und Energie dem Sujet der Transsib in nichts nachstand: Der aus Sibirien stammende Kirill Petrenko erwies sich in programmatischer und pädagogischer Hinsicht als Idealbesetzung, ein Lokführer, der das Feuer seiner Mannschaft zu entfachen verstand. Solist Johannes Fischer, selber ehemaliges Mitglied des Bundesjugendorchesters, kannte die Möglichkeiten und Fähigkeiten des Nachwuchsorchesters aus eigener Erfahrung: „Die BJOler machen ihre Sache sehr gut, besonders, weil sie so schnell lernen. Man konnte am Anfang der Proben wirklich spüren, wie alle etwas zurückhaltend waren, da sie noch nicht wussten, was auf sie zukam. Aber sobald sie den ‚Boden unter ihren Füßen‘ spürten, waren sie ganz begeistert dabei. Und das ist perfekt.“

Nach insgesamt zehn Probentagen setzte man das Programm schließlich frisch poliert und voller Energie auf die Schienen: In insgesamt fünf Konzerten in Celle (Congress Union), Essen (Philharmonie), Schweinfurt (Theater), Wien (Musikverein) und Berlin (Philharmonie) begeisterte das Orchester rund 5.000 Zuhörer. „Die Reaktionen der Zuhörer und Presse zeigen uns, dass das Konzept aufgegangen ist. Dies war bei einem so vielfältigen Programm nicht unbedingt zu erwarten. Um so mehr freuen wir uns, mit einer derart gelungen Tournee in unsere Jubiläums-Saison starten zu können“, sagt Projektleiter Sönke Lentz.

Einen Mitschnitt des Konzertes aus der Philharmonie Essen wird WDR3 am Mittwoch, 11. Februar 2009, um 20:05 Uhr senden.

In weniger als drei Monaten wird das Bundesjugendorchester wieder auf Konzertreise gehen: Zwischen dem 11. und 21. April gastiert das Orchester in Interlaken, Hamburg, Köln, Garmisch-Partenkirchen, Fürth und München. Als Solist konnte der international renommierte Trompeter Reinhold Friedrich gewonnen werden, der das Trompetenkonzert „…miramondo multiplo..:“ von Olga Neuwirth und alternierend Joseph Haydns Trompetenkonzert Es-Dur präsentieren wird. Die Leitung der Frühjahrs-Arbeitsphase übernimmt Peter Hirsch. Weitere Informationen online unter http://www.bundesjugendorchester.de.