Die fünfte Demonstration STUMME KÜNSTLER fand gestern mit rund 300 Teilnehmern und etlichen Gästen statt, um erneut auf die unerträglichen Umstände aufmerksam zu machen, unter denen die gesamte freie Veranstaltungswirtschaft - darunter sämtliche freien Künstler - leidet. Und dies nicht nur gestern in Dresden, sondern erstmals auch heute um 17 Uhr auf dem Breitscheidplatz in Berlin, organisiert vom VGSD (Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland) und der Initiative Kulturschaffender in Deutschland.

Die aktuellen Hilfen von Bund und Land gehen in die richtige Richtung. Die Künstler freuen sich, dass die freien Kulturschaffenden endlich vermehrt in den Blick der Politik geraten. Dennoch muss in vielen Bereichen erheblich nachgebessert werden. UND - dem Ergebnis des im Koalitionsausschuss beschlossenen Paketes folgend - müssen die Kommunen mit den avisierten Mitteln aus dem Bund umgehend den freien Kulturbereich so unterstützen, dass ein Kollaps der Kulturwirtschaft verhindert wird. Eines der wichtigsten und grundlegendsten Themen, die Anerkennung der Lebenshaltungskosten bei den Soforthilfeprogrammen, ist nach wie vor offen. Hier ist an vorderster Front der Mittelstand im Bereich der Kulturschaffenden betroffen - und wird ohne Unterstützung in den Ruin oder den Branchenwechsel getrieben. Der regelmäßig ins Feld geführte vereinfachte Zugang zur Grundsicherung ist hier KEINE LÖSUNG!

Dirk Grünig, Geschäftsführer und künstlerischer Leiter des weltweit agierenden Helmnot-Theaters aus Lichtenstein/Sachsen berichtete sehr eindrücklich über die Situation seines Theaters. Nach drei Jahrzehnten Theaterschaffens und Aufbauarbeit im freien Theaterbetrieb waren die Inszenierungen des Hauses weltweit unterwegs. Kein eigenes Haus, aber umfangreiche Werkstätten zur Fertigung der Ausstattungen, ein festes Stammensemble, feste Mitarbeiter, welche die aufwändigen Stücke auch in fernen Ländern sicher auf die Bühnen bringen. All das war Alltag – und steht jetzt dank ausbleibender Unterstützung in dieser Krise vor dem Aus. Die Soforthilfe (9.000 Euro) wurde im März beantragt und im Juni ausbezahlt, ein zuerst zugesagter SAB Kredit für das Theater (Träger Theaterverein) wurde umgehend wieder gekündigt, da die Richtlinien bei der Kreditvergabe geändert wurden. Wie die laufenden Kosten des freien Kulturbetriebes ohne Unterstützung und ohne die Möglichkeit, seiner Arbeit nachzugehen, getragen werden sollen – ohne Kredit, ohne Hilfe für die künstlerisch tätigen Soloselbstständigen und Theaterleiter ist nach wie vor völlig offen.

Philipp Richter, Schauspieler und Sänger, berichtete ebenso wie Alexander Pluquett, Schauspieler, von der Situation der freien Künstler. Seit Anfang März ein Totalausfall der Auftrittsmöglichkeiten, mancher kann im Sommer an der einen oder anderen Stelle ein wenig spielen – aber der überwiegende Teil der Engagements über das gesamte Jahr gesehen ist ausgefallen – und wird noch ausfallen. Unverständnis im Blick auf die offensichtlich ungleichen Maßstäbe, die angelegt werden: Am Beispiel Flugbetrieb dürfen die Menschen eng an eng im Flieger sitzen – im Konzertsaal muss der Abstand von 1,5 Metern gelten. Aus der Begründung, im Flugbetrieb mit weniger Passagieren seien die Flüge nicht wirtschaftlich durchzuführen, spricht der blanke Hohn den freien Kulturschaffenden gegenüber, die als freie und nicht beziehungsweise kaum Geförderte genauso wenig wirtschaftlich arbeiten können. Und in der Regel zusätzlich, wie in der freien Kultur leider üblich, kaum Rücklagen für eventuelle Notfälle bilden konnten – im Gegensatz zu Wirtschaftsunternehmen.

Alle Sprecher, auch Kilian Forster, der sich als Initiator der Aktion Stumme Künstler zur aktuellen Situation äußerte, fordern Nachbesserungen und substantielle Unterstützung der freien Kulturszene. Solidarität sei gefragt in der Gesellschaft UND im gesamten Kulturbereich.

ALLE Künstler und Kulturschaffenden, eingeschlossen die Veranstalter, Agenturen, Technikfirmen, Caterer und alle weiteren rund 100 Gewerke, die hier mit aktiv sind, sind von dieser Krise unverschuldet getroffen worden. Der Kultur- und Veranstaltungsbereich mit den wohl härtesten und am längsten anhaltenden Auswirkungen und seiner enormen Wirtschaftskraft darf nicht sich selbst überlassen werden.

Die Hilfen und Unterstützung von Bund, Land und Kommunen müssen mit Blick auf den gesamten Kulturbereich gefasst werden: auf die Einrichtungen und Institutionen in eigener öffentlicher Hand ebenso wie auf den riesigen Bereich der freien Kultur- und Veranstaltungswirtschaft!