Das Projekt NEULAND besteht aus zwei Teilen, die sich auch in den Aufführungen widerspiegeln: Workshops und Inszenierung. Auf der einen Seite ist es ein Projekt, das Jugendliche aus verschiedenen Ländern zusammenbringt, um gemeinsam etwas zu schaffen. Rund zwanzig Geflüchtete und ebenso viele in Berlin Aufgewachsene haben bis zum Ende durchgehalten. Fluktuation gab es unter den Geflüchteten aus nahe liegendem Grund: Wenn sie von den Zuwanderungsbehörden noch nicht "verteilt“ waren, konnte es sein, dass sie von einem auf den anderen Tag in eine andere Stadt gebracht wurden und damit nicht mehr an dem Projekt teilnehmen konnten. In Work­shops erarbeiteten die Jugendlichen die Grundlagen für ein Zusammenleben an einem neuen Ort, für ein "Neuland“. Dazu gehörte die Entwicklung einer Sprache und der Grundlagen des Zusammenlebens. Die Sprache "Blabla-Blomagal“ (Blabla = Sprechen, Blo = Land, magal = neu) ist vollkommen ausgedacht, nur die Ziffern orientieren sich an existierenden Sprachen (eins, deux, tria ...). Eine Verfassung wurde ausgearbeitet (sie hat natürlich nur eine begrenzte Anzahl an Artikeln), dem Land wurde eine Geschichte mit einem Gründungsmythos gegeben usw.

Auf der anderen Seite ist NEULAND aber auch eine Bühnenaufführung. Und die teilt sich ebenfalls in zwei Teile. Es gibt einen installativen Teil und eine bzw. mehrere szenische Aktionen. Die Grenzen Blomagals sind die Außenwände der Tischlerei. Die Besucher werden durch die Installation und Aufführung in eine Situation ver­setzt, die der gleicht, in der sich Geflüchtete befinden, wenn sie in ein neues Land kommen, das sie vielleicht vorübergehend, vielleicht für immer bewohnen werden. Sie ver­stehen die Sprache nicht, und sie kennen sich mit den Gebräuchen nicht aus. Was macht eine Familie aus? Was gibt es für eine Religion? Wer hat die Macht, und warum? Antworten auf diese Fragen gibt die Aufführung.

Genau wie Geflüchtete bekommen die Zuschauer unterschiedliche Hilfe angeboten. Für eine Gruppe gibt es eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte in der Sprache und den Gebräuchen auf Papier. Eine andere Gruppe wird durch die Instal­lation und die Aufführung geführt. Eine weitere Gruppe wird von einem Mitspieler auf Entdeckungs­reise mitgenommen, und schließlich gibt es noch eine Gruppe, der ein Überblick, ebenfalls mit Erklärungen in deutscher Sprache, geboten wird.

Dass man vom gesungenen Text nichts versteht, war für Opernbesucher über Jahr­hunderte ganz normal. Hierin steht NEULAND ganz in der Tradition des Genres. Es gibt aber auch eine "Oper in der Oper“, sie handelt von einer Episode in der Geschichte Blomagals, die sich die Jugendlichen gemeinsam ausgedacht haben. Und zum Schluss feiern alle gemeinsam den Gründungsmythos und probieren die Nationalgerichte.

Klang spielt in Blomagal eine besondere Rolle. Klang ist der Rohstoff, von dem Blomagal lebt. In einer Höhle werden die Klänge von den entsprechenden Arbeitern gewonnen und aufbereitet. Abnehmer dieser Klänge sind zunächst die beiden Musiker, die mit ihren Instrumenten und ihrer Elektronik als einzige dauerndes Gastrecht in Blomagal genießen, die Klänge können aber auch verkauft werden, wodurch sich die Währung "Slup“ generiert. Jede Familie in Blomagal hat darüber hinaus ihren eigenen Klang, den sich die Jugendlichen selbst ausgedacht haben und den sie mit dem Mund oder mit den Händen erzeugen.

Die Musik des Abends besteht aus komponierten und improvisierten Teilen. Die "Oper in der Oper“, die Filmmusik, die Musik zum  Gründungsmythos, die mehr­stimmige Nationalhymne, welche mehrmals erklingt, und der "Pop-Song“, der die Hitparade in Blomagal anführt, wurden von Vivan und Ketan Bhatti zusammen mit einigen Jugend­lichen  entwickelt.

Zwischen diesen abgeschlossenen Kompositionen stehen Klangcollagen, in denen Bewegungen und Laute der Jugendlichen aufgegriffen werden. Milian Vogel und Niklas Tillmann entwickeln diese weiter und versehen sie mit elektronischen Zutaten.