Ein Schwerpunktthema der neuen Ausgabe von politik und kultur Juli/August 2005 ist die Frage nach der Verankerung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz.

In seiner Stellungnahme „Kultur als Daseinsvorsorge“ vom 29.09.2004 hat der Deutsche Kulturrat die Aufnahme des Staatsziels Kultur in das Grundgesetz gefordert. Der Deutsche Kulturrat hat damit die bereits seit Jahrzehnten geführte Debatte um die kulturelle Staatszielbestimmung aufgenommen. Die Staatszielbestimmung Kultur im Grundgesetz würde über das Bekenntnis zur Kunstfreiheit hinaus die Bundesrepublik Deutschland als Kulturstaat definieren. Nach Auffassung des Deutschen Kulturrates sollte im Grundgesetz formuliert werden, dass der Staat die Kultur schützt und fördert. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“ schlägt nun in ihrem Zwischenbericht vor, das Grundgesetz um den Artikel 20b mit der Formulierung „Der Staat schützt und fördert die Kultur“ zu ergänzen.

politik und kultur hat die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen und die Ministerpräsidenten der Länder gefragt, wie sie zu der Verankerung eines Staatsziels Kultur im Grundgesetz stehen. Staatsrechtler wägen das Für und Wider eines Staatsziels Kultur im Grundgesetz ab.

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus vertritt die Meinung, dass der Föderalismus verkannt wird, wird das Staatsziel Kultur in das Grundgesetz aufgenommen. Der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg Ole von Beust fordert der Kultur mehr Beachtung zu verschaffen. Das Staatsziel Kultur kann hierzu seines Erachtens keinen Beitrag leisten. Aus Sicht des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller ist die Verankerung des Staatsziel Kultur im Grundgesetz überflüssig, da die Bundesrepublik auf Grund anderer Staatszielbestimmungen ohnehin ein Kulturstaat ist. Der neu gewählte nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sieht im Staatsziel Kultur eine Versuchung für den Bund, weitere Kompetenzen an sich zu ziehen. Einzig Henning Scherf, Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, spricht sich von den Ministerpräsidenten in politik und kultur eindeutig für das Staatsziel Kultur im Grundgesetz aus. Entscheidend zur Verankerung von Kunst und Kultur in der Gesellschaft ist für ihn aber das Bürgerschaftliche Engagement.

Die Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Angela Merkel zeigte sich offen für das Staatsziel Kultur. Entscheidend für die Lebendigkeit von Kunst und Kultur ist ihres Erachtens aber das konkrete Engagement im Alltag. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Wolfgang Gerhardt sieht im Staatziel Kultur ein klares Bekenntnis des Staates zur Kultur, ein wichtiges Signal für Kunst und Kultur und spricht sich für das Staatsziel Kultur aus. Der kulturpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Eckhardt Barthel macht deutlich, dass aus dem Staatsziel Kultur keine Rechte Einzelner abzuleiten sind, es aber wichtig ist für die Gestaltung der Rahmenbedingungen von Kunst und Kultur. Darum sollte der nächste Deutsche Bundestag möglichst schnell das Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankern.

Der Verfassungsrechtler Bodo Pieroth wirft die Frage auf, ob Kultur weniger wichtig sei als Tierschutz und macht deutlich, dass die Kulturhoheit der durch das Staatsziel Kultur nicht tangiert wird, weil das Grundgesetz für alle staatlichen Ebenen gilt. Demgegenüber misst der Verfassungsrechtler Peter Badura dem Staatsziel Kultur eine geringe normative Wirkung zu. Und der Verfassungsrechtler Ulrich Karpen sieht das Staatsziel Kultur als entbehrlich und nicht wünschenswert an. Seines Erachtens sollten Selbstverständlichkeiten in der Verfassung nicht ausdrücklich verankert werden. Der Verfassungsjurist Max-Emanuel Geis schließlich sieht im Staatsziel Kultur die Chance für ein zwingend zu beachtendes Ermessungskriterium. Er hebt ebenfalls darauf ab, dass das Staatsziel Kultur bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur seine Bedeutung entfalten kann und plädiert daher für ein Staatsziel Kultur im Grundgesetz.

politik und kultur, die Zeitung des Deutschen Kulturrates (Juli/August 2005) mit dem Schwerpunkt „Staatsziel Kultur im Grundgesetz“ steht im Internet als pdf-Datei unter http://www.kulturrat.de/puk/puk04-05.pdf (2,3 MB) zum Herunterladen zur Verfügung.

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